Ermittler orten Tausende Handys
Innenminister Jäger räumt mehr als 250 000 „Ortungsimpulse“ ein.
Düsseldorf. Mehr als 250 000 Mal haben Ermittlungsbehörden in NRW im vergangenen Jahr sogenannte „Ortungsimpulse“ an Mobiltelefone verschickt — um den aktuellen Standort der Handy-Besitzer festzustellen. Das räumte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) jetzt in der Antwort auf eine Anfrage aus dem Landtag ein. Ziel dieser sogenannten „stillen SMS“ waren demnach insgesamt 2644 Mobilfunkanschlüsse.
Über die „stille SMS“, eine für die Mobiltelefon-Besitzer unsichtbare Nachricht, kann die Funkzelle lokalisiert werden, in der sich ein Gerät befindet. Über diese „Einbuchungen“ kann man Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort von Besitzern der Mobilfunkgeräte ziehen — mit einer Genauigkeit von oft nur wenigen Metern. Erfolgen die heimlichen „Ping-SMS“ in einem regelmäßigen zeitlichen Abstand, kann aus den Daten ein lückenloses Bewegungsprofil entstehen.
Innenminister Ralf Jäger (SPD) betonte in der Antwort, dass diese Methode nur bei dem Verdacht auf schwere Straftaten und nach richterlicher Genehmigung angewendet werden darf. Die Methode sei auch kein Verstoß gegen Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis schützt. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits 2006 entschieden.
Gleichzeitig verwies Jäger in seiner Antwort auf drei Fälle, in denen die Methode zu konkreten Fahndungserfolgen führte: Ein flüchtiger Gewaltverbrecher, ein Vergewaltiger und ein Großdealer konnten festgenommen werden, nachdem über die Handy-Ortung ihre Fluchtwege beziehungsweise Bewegungsprofile ermittelt worden waren. Im Fall des Drogenhändlers hätten zudem insgesamt 16 Marihuana-Plantagen lokalisiert werden können.
Trotz dieser Erfolge halten nicht wenige Politiker und Juristen die Methode für bedenklich. Er sei wegen der hohen Anzahl der stillen SMS „erschüttert, fast schon entsetzt“, sagt etwa der Fachanwalt für Strafrecht und Lehrbeauftragte an der FH Düsseldorf, Udo Vetter.
Vetter verweist nach Sachsen: Dort hatte die Polizei im Februar die Proteste gegen Nazi-Aufmärsche per Funkzellenauswertung ausgeforscht und Millionen Datensätze gespeichert. Um eine juristische Grundlage dafür zu schaffen, war für die linken Gegendemonstranten kurzerhand eine „kriminelle Vereinigung“ konstruiert worden.
Die Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder fordern jetzt eine Anhebung der Eingriffsschwelle für Funkzellenabfragen. Ein „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der nichtindividualisierten Verkehrsdatenerhebung“ wird derzeit in den Fachausschüssen des Bundesrates beraten.