Grüne steuern die Macht an
Die Partei geht selbstbewusst in die Gespräche mit der SPD.
Neuss. Die NRW-Grünen gehen mit breiter Brust und viel Selbstbewusstsein in die morgen beginnenden Koalitionsgespräche mit der SPD zur Bildung einer Minderheitsregierung. Mit nur drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen billigte am Samstag der Parteitag in Neuss diesen Schritt.
Die Grünen-Spitzenkandidatin und designierte Schulministerin Sylvia Löhrmann warb vehement für dieses riskante Regierungsmodell. "Wir sind ab sofort auf der Suche nach wechselnden Mehrheiten, sagte Löhrmann. SPD und Grünen würden im Parlament auch bei den anderen Fraktionen um Zustimmung werben. Etwa bei einem verbesserten Datenschutz könne sie sich sehr wohl die Unterstützung der FDP vorstellen, die der CDU bei einem Stadtwerker-Rttungsgesetz, die der Linkspartei bei mehr Mitbestimmung.
Da hat sie bei der CDU schon einen Unterstützer gefunden, denn der Neusser Bürgermeister Herbert Napp (CDU) sprach sich in seinem Grußwort für mehr Rechte für die Stadtwerke aus - dafür hat er übrigens schon vor dem Landtag demonstriert. Als ihn die Grünen daraufhin heftig beklatschten, sagte Napp: "Bitte nicht zu viel Beifall, sonst bekomme ich noch ein Parteiausschlussverfahren.
Gegen die Minderheitsregierung sprach nur ein Delegierter. Thomas Roth aus dem Rhein-Erft-Kreis erinnerte daran, dass die Grünen im Wahlkampf eine Tolerierung durch die Linkspartei ausgeschlossen hatten. "Die Bürger verstehen den Unterschied nicht, und ich ehrlich gesagt auch nicht so recht. Doch das blieb eine Einzelstimme.
Löhrmann betonte mehrfach, dass die Minderheitsregierung ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen sei. Künftig werde "die Demokratie lebendiger. Die Koalitionsgespräche sollen zügig geführt werden, zwischen SPD und Grünen wurden in den Sondierungsgesprächen viele Punkte einvernehmlich geregelt. Konfliktpotenzial droht vor allem in der Energiepolitik, da die Grünen neue Kohlekraftwerke kategorisch ausschließen.
Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn, selbst in vielen Kohle-Schlachten mit der SPD gestählt, setzt aufs Pragmatische, etwa beim hochumstrittenen Kraftwerk in Datteln. "Am Ende wird es eine Lösung geben, mit der beide Seiten leben können, sagte sie unserer Zeitung. Entscheidend sei die Atmosphäre zwischen den Partnern, und die sei sehr viel besser als zu ihrer Zeit, also unter Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. "Hannelore Kraft ist ein ganz anderes Kaliber. Sie steht für die neue SPD, so Höhn.
Die Grünen wählten zwei neue Parteichefs, Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke hörten nach vier Jahren auf. Nachfolger wurden die Düsseldorfer Landtagabgeordnete Monika Dürer (61 Prozent) und Jens Lehmann (88 Prozent) aus Köln, der Klockes Lebensgefährte ist.