Merkel hat Rüttgers abgehakt
In der Berliner Parteizentrale sucht man nach einer Strategie gegen Rot-Grün.
Berlin. Angela Merkel durfte sich an diesem Samstagmittag nichts anmerken lassen: Sie sitzt während der Rückzugserklärung von Jürgen Rüttgers in der Berliner Parteizentrale zusammen mit 160Kreisvorsitzenden, die Dampf über das Erscheinungsbild der Union ablassen wollten. Von "sehr sehr ernsten Zeiten" ist bei Merkels Rede beziehungsreich die Sprache. Den Namen von Rüttgers nimmt sie nicht in den Mund. Das Personal-Thema ist "doch längst abgehakt", weiß gestern ein Merkel-Getreuer zu berichten.
Unabhängig von dem Minderheits-Regierungsplänen von SPD und Grünen sei klar gewesen, dass es eine politische Zukunft der NRW-CDU nur ohne Rüttgers geben werde. Erinnert wird auch an die eigenartige Reaktion des scheidenden Ministerpräsidenten am Wahlabend des 9.Mai, an dem er nur für ein Statement zur Verfügung stand, um danach abzutauchen. Das sei alles "verkorkst ohne Ende gelaufen", sinniert der Merkel-Adlat.
Im Adenauer-Haus wird nach den üblichen Routine-Reaktionen der Blick ohne nennenswerte Wehmut in die Zukunft gerichtet. Der Noch-Landeschef hatte sich zu viele Scharmützel mit der Parteivorsitzenden geleistet, um sich als Arbeiterführer zu profilieren.
Den drohenden Machtverlust in Düsseldorf will die Bundes-CDU zu einer Intensivierung der Kampagne gegen eine mit "sozialistischen Steigbügelhaltern" ins Amt gekommene Minderheits-Regierung aus SPD und Bündnis-Grünen nutzen. Man werde auch den 30. Juni, den Tag der Bundespräsidentenwahl, genau beobachten, "wie sich die Linkspartei in einem dritten Wahlgang in Sachen Gauck einlässt".
Was für die CDU-Planer in diesem Zusammenhang noch wichtiger ist: Die Konsequenzen des Machtverlusts für den Bundesrat sauber durchzukalkulieren. Verschiedene Projekte stehen auf der Kippe. Aufmerksam ist ein vages Angebot der saarländischen Grünen - sie arbeiten mit CDU und FDP in einer Jamaika-Koalition unter Peter Müller (CDU) zusammen - registriert worden, bei Bundesratsentscheidungen weniger partei- als koalitionstreu abzustimmen.
Die CDU-Strategen gucken aber schon bis Mitte November, wo in Karlsruhe der Bundesparteitag stattfindet. Merkel muss sich wohl drei neue Vize-Vorsitzende holen, nachdem der hessische Ministerpräsident Koch seinen Ausstieg bekannt gegeben hat und Rüttgers seinen politischen Rückzug von der ersten Reihe verkündete. Schließlich würde - im Fall seiner Bestätigung durch die Bundesversammlung - auch der Vizeposten von Christian Wulff frei werden.
Folgende Namen werden gehandelt: der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der designierte hessische Premier Volker Bouffier und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen aus Niedersachsen.