NRW Hannelore Kraft: „SPD als Bollwerk stark machen“

Hannelore Kraft über ihre Rolle und ihre Position bei der Entscheidung für den Kanzlerkandidaten ihrer Partei.

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Düsseldorf. Sie hatte Klarstellungsbedarf, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und SPD-Chefin Hannelore Kraft. Sie wollte es am Mittwoch so nicht stehen lassen, was da an Mutmaßungen über sie gesagt worden war — nach der Entscheidung über die SPD-Kanzlerkandidatur. Und so trat sie die Vorwärtsverteidigung an.

Monatelang hatte es als sicher gegolten, dass Sigmar Gabriel auch Krafts Favorit für die Kanzlerkandidatur sei. Als Gabriel dann aber plötzlich hinwarf und Martin Schulz das Feld überließ, war in diversen Medien bereits von geschwundenem Einfluss der Landes-SPD die Rede. Von einer Blamage für Kraft gar. FDP-Chef Christian Lindner stichelte, dass Gabriels überraschender Rückzug einmal mehr zeige, dass Kraft „nicht zum Entscheidungszentrum der SPD“ gehöre. Und CDU-Landeschef Armin Laschet warf die Frage auf, warum Kraft und SPD-Fraktionschef Norbert Römer „so massiv für Gabriel geworben“ hätten, statt sich von Anfang an hinter den Rheinländer Schulz zu stellen.

So trommelte die Ministerpräsidentin kurzfristig am Rande der Landtagsdebatte zum Fall Amri die Journalisten zusammen, um ihre Sicht der Dinge aufzuzeigen. Und ging dabei auch auf die von Laschet angesprochene Äußerung des SPD-Fraktionschefs ein. Norbert Römer hatte Ende September auf der Debatten-Plattform „Blog der Republik“ Sigmar Gabriel in höchsten Tönen gelobt: „Er spricht die Sprache der Menschen, er duckt sich nicht weg.“ Er, Römer, halte Gabriel ohne Abstriche für geeignet, der nächste Kanzler zu werden.

Das habe sie damals auch sehr unterstützt, sagte Kraft am Mittwoch. Es habe zu der Zeit viel Unruhe in der Partei gegeben. Gabriel als Vorsitzender der Bundespartei habe die absolute Loyalität verdient. „Sigmar Gabriel kann Kanzler“, das habe sie immer gesagt. Und das sei ja auch so. Entsprechend habe sich die NRW-SPD und sie persönlich verhalten. Eine Loyalität, die ihr selbst ja auch von den Parteifreunden der Landespartei entgegengebracht werde.

Bei der nun getroffenen Entscheidung sei es aber darum gegangen, wer die besseren Chancen bei der Bundestagswahl habe. Es gehe um Größeres. Es gehe darum, die SPD als „Bollwerk für die Demokratie und gegen die Populisten und Vereinfacher“ stark zu machen.

Sie sei immer eingebunden gewesen in die Entscheidungsprozesse, versichert Kraft den Journalisten. Die Entscheidung sei auch länger vorbereitet gewesen, sagt sie. Seit wann sie denn nun davon gewusst habe, wie die Entscheidung in der K-Frage falle, wird sie gefragt. „Schon seit längerer Zeit“, antwortet die Ministerpräsidentin in die Kameras. Ohne aber den Zeitraum genau einzugrenzen. Noch Ende November hatte Kraft für bundesweites Aufsehen gesorgt, als sie gesagt hatte, sie wisse, wer der Kandidat der SPD werde. Ohne allerdings den Namen zu verraten.

Auf den hämischen Seitenhieb von FDP-Chef Christian Lindner, dass Kraft nicht zum Entscheidungszentrum der SPD gehöre, braucht sie gar nicht einzugehen. Der wurde nämlich bereits vorher durch den scheidenden SPD-Chef Sigmar Gabriel als Schuss ins Blaue entlarvt. In seinem „Stern“-Interview, durch das am Dienstag die Bombe geplatzt war, sagt Gabriel nämlich: „Ich habe genau hingehört, als Hannelore Kraft vor längerer Zeit mal zu mir gesagt hat: Sigmar, du musst es aber auch mit ganzer Kraft wollen! Sie kennt mich gut, und wir beide haben ein sehr offenes und vertrauenvolles Verhältnis. Und sie hat wohl gespürt, dass sich da etwas verändert hat bei mir.“ Er, Gabriel, sei Kraft sehr dankbar dafür, dass sie nicht einfach darüber hinweggegangen sei, „obwohl ihr das ja auch Probleme macht. Denn mein Rückzug bringt auch starke Unruhe in die SPD, die sie vor ihrer Landtagswahl eigentlich nicht gebrauchen kann. Aber sie ist einfach ein sehr anständiger Mensch.“

Kraft als persönlicher Ratgeber von Gabriel also. Das spricht eher gegen Lindners These. Und Kraft selbst gibt die Blumen an Gabriel zurück. Dessen Entscheidung verdiene höchsten Respekt, sagt sie. Diese sei ihm nicht leichtgefallen. Aber es sei für die SPD nun mal darum gegangen, „die beste Aufstellung zu finden.“ Für die SPD und die K-Frage sei in dem schwierigen Abwägungsprozess entscheidend gewesen: Wer hat die besseren Chancen? Und das sei nun mal Schulz.

Dieser sei auch für die SPD in NRW unterwegs, „er war schon lange eingeplant für den Landtagswahlkampf, er wird das jetzt aus anderer Position tun“, sagt Kraft. Das gebe der SPD im Wahlkampf noch mal einen weiteren Schub. Und dann fügt sie ohne Bescheidenheit hinzu: „Das freut uns außerordentlich, dass ein Nordrhein-Westfale Kanzler wird.“

Zu den Vorzügen des Kanzlerkandidaten Martin Schulz befragt, sagt Kraft: „Hohe Glaubwürdigkeit, klares Profil.“ Es gehe ihm um Themen wie Gerechtigkeit und wie man den Menschen Sicherheit geben könne in dieser unruhigen Zeit. Es gehe um das Thema Aufstieg durch Bildung, das gerade durch Schulz selbst personifiziert werde. Schulz hat es schließlich vom Buchhändler zum allseits respektierten Präsidenten des EU-Parlaments gebracht. Und jetzt eben auch zum Kanzlerkandidaten. Dass er in dieser Funktion viel reißen kann, davon scheint Kraft überzeugt: „Er hat große Erfahrung, kann Menschen begeistern.“