Hohe Hürden für Online-Razzia
Urteil: Das Bundesverfassungsgericht schafft ein neues Grundrecht und schützt damit die Privatsphäre im Computer. Terrorverdächtige sollen jedoch ausgeforscht werden können.
Düsseldorf/Berlin. Lange hatten Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) über die Online-Durchsuchungen gestritten. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sahen sich angeblich beide bestätigt. Schäuble betonte, das Gericht habe das Ausforschen von Computern immerhin grundsätzlich als zulässig erkannt. Zypries sagte, sie sei in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, weil die Richter zum Schutz des Privatlebens enge Grenzen gesetzt haben.
Und tatsächlich hat Karlsruhe den Vorstellungen des Innenministers in Teilen widersprochen, was die Opposition als schallende Ohrfeige wertet. SPD-Chef Kurt Beck erklärte: "Den überzogenen Vorstellungen von sicherheitspolitischen Hardlinern wurde eine Absage erteilt."
Während Schäuble in den Auseinandersetzungen mit der SPD stets die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus ins Feld geführt hatte, argumentierte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz: "Es gibt auch auf der Festplatte des Computers ein Schlafzimmer." Nach dem Urteilsspruch freute sich Wiefelspütz: "Das ist ein guter Tag für die Freiheit unseres Landes. Wir haben ein neues Grundrecht geschenkt bekommen."
Computer von Verdächtigen dürfen laut Urteil nur dann ausgeforscht werden, wenn "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Leben und Freiheit von Menschen oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind. Die Maßnahmen sind auch zulässig, wenn unklar ist, ob die Gefahr in näherer oder erst in ferner Zukunft droht. Grundsätzlich ist für Durchsuchungen die Anordnung eines Richters erforderlich.
Die Regierung kündigte an, sich rasch auf einen Entwurf verständigen zu wollen, um das BKA-Gesetz, das die SPD wegen der Online-Durchsuchungen blockiert hat, auf den Weg zu bringen. Eine Einigung scheint möglich, weil Schäuble seine Pläne, Abgeordnete, Journalisten oder Imame abzuhören, nicht mehr aus der Schublade geholt hat.
Das Urteil war keine Überraschung mehr. Schon bei der Anhörung hatten die Bundesverfassungsrichter keinen Zweifel daran gelassen, was sie vom NRW-Gesetz zur Online-Durchsuchung halten: nichts. Und so reagierte der große Verlierer des Tages, NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP), schon fast routiniert: "Wir prüfen das Urteil, unser Verfassungsschutz späht online keine Computer mehr aus, wir haben verstanden", lautete sinngemäß die Ansage aus dem Landesinnenministerium.