Interview: „Große Zweifel an NPD-Verbot“

Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes fordert mehr Aufklärung.

Düseldorf. Herr Möller, nach dem ausländerfeindlichen Übergriff in Mügeln wird in der Politik erneut über ein Verbot der rechtsextremen NPD diskutiert. Hat ein solches Verbotsverfahren nach dem Scheitern 2003 überhaupt noch Aussicht auf Erfolg?

Möller: Wer ein solches Verfahren anstrengt, sollte im Vorfeld sicher sein, dass es Erfolg hat. Und da habe ich große Zweifel. Das Problem ist, dass das Bundesverfassungsgericht beim ersten Verfahren hohe juristische Hürden aufgestellt hat. Im Senat besteht zudem bislang Uneinigkeit über den Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten) des Verfassungsschutzes: Sollen sie bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein authentisches Bild der NPD vermitteln, oder müssen sie schon vor dem Verbotsverfahren abgezogen werden? Sollte erneut ein Verbotsverfahren scheitern, wäre das ein verheerendes Signal: Die NPD hätte eine Art Persilschein vom Verfassungsgericht erhalten.

Halten Sie denn ein Verbot für sinnvoll?

Möller: Ein Verbot verhindert keine fremdenfeindlichen Übergriffe. Und dadurch ändert niemand das Gedankengut von rechtsextremistischen Parteimitgliedern und -anhängern, von denen sich viele anderen rechtsextremistischen Organisationen anschließen oder neue gründen. Ich halte einen Verbotsantrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher für politischen Aktionismus.

Was muss geschehen, um Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu bekämpfen?

Möller: Es gibt keine einfache Lösung. Die Ursachen müssen langfristig und beständig bekämpft werden. Oft wird nur von Vorfall zu Vorfall reagiert. Wichtig wäre beispielsweise, in den Kommunen alle Verantwortlichen an einen Tisch zu holen und das Engagement gegen Rechts zu bündeln. Und es muss beständig Aufklärungsarbeit insbesondere in den Schulen geleistet werden. Reine Sonntagsveranstaltungen reichen nicht aus. Zudem stößt die NPD in die Lücken, die die etablierten Parteien öffnen, wenn sie sich bestimmter Probleme der Bürger nicht mehr annehmen.

Wie aktiv ist die NPD in NRW?

Möller: Sie ist derzeit in neun Kommunalparlamenten präsent und will mit einer Ausweitung bei den Kommunalwahlen 2009 den Sprung in den Landtag vorbereiten. Dazu verstärkt sie ihre organisatorischen Maßnahmen und versucht, sich mit neuen Kreis- und Ortsverbänden flächendeckend im Land zu verankern. Sie versteckt sich auch nicht mehr. So beobachten wir, dass fast jedes Wochenende Infostände in Fußgängerzonen des Ruhrgebiets aufgebaut werden. Zwar ist die Zahl der NPD-Mitglieder mit rund 770 in den vergangenen Jahren nahezu gleich geblieben. Allerdings hat es einen Austausch gegeben - das sind heute mehr junge und aktive Parteimitglieder.

Welche Wählerklientel versucht die NPD anzusprechen?

Möller: Sie wird sehr oft dort aktiv, wo sich die etablierten Parteien zurückgezogen haben, besetzt thematische Lücken, hat angeblich ein offenes Ohr für die alltäglichen Sorgen der Bürger. Die Parteiaktivisten treten zuerst als engagierte, hilfsbereite Bürger auf, die NPD-Ideologie bleibt zunächst im Hintergrund. Zugleich spricht die NPD genau die Themen an, die auch die Linken besetzen. Beide Lager buhlen um die selben Wähler. Da gibt es oftmals keine thematischen Unterschiede mehr. In der Außenpolitik sind es die Globalisierungskritik und ein Anti-Amerikanismus sowie Kritik an Israel. Dazu kommt dann natürlich die ganze Sozialdebatte, Hartz IV. Beide Lager wollen das Potenzial der Unzufriedenen ansprechen.

Die Landesregierung plant, ein Zweistimmenwahlrecht einzuführen. Könnte davon nicht auch die NPD profitieren?

Möller: Ich gehe davon aus, dass die NPD bei der nächsten Wahl nicht an die Fünf-Prozent-Hürde herankommt. Bei der letzten Landtagswahl erreichte sie in Nordrhein-Westfalen noch nicht einmal ein Prozent der Wählerstimmen.