Interview mit Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann: Schwarz-Grün ist kein Tabu
In Hamm kommen am Samstag die NRW-Grünen zu ihrem Landesparteitag zusammen. Fraktionschefin Sylvia Löhrmann über Koalitionen, Personen und Inhalte.
<strong>Frau Löhrmann, wie groß sind rund zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl Ihre Sorgen über den Zustand der NRW-SPD?Löhrmann: Die Situation der SPD ist derzeit in der Tat schwierig. Das hat vor allem bundespolitische Gründe, und ich sage das ganz ohne Häme. Unsere Aufgabe ist aber nicht, uns um andere Parteien zu kümmern, sondern wir wollen mit unserer Politik die Menschen überzeugen, damit die Grünen so stark wie möglich werden. Aber die SPD bleibt doch Ihr bevorzugter Koalitionspartner?Löhrmann: Richtig, die SPD ist unser erster Ansprechpartner. In einem Fünf-Parteien-System müssen und werden sich aber alle Parteien neu aufstellen. Kann eine Partei nach den Erfahrungen in Hessen vor einer Wahl noch Bündnisse ausschließen, so wie es Ihre Landesvorsitzenden bereits für eine Jamaika-Koalition gemacht haben?Löhrmann: Hamburg und Hessen lehren: Es sollten keine Bündnisse vorschnell ausgeschlossen werden. Wir können derzeit seriös nicht sagen, was 2010 passiert. Nach der jeweiligen Wahl muss dann ausgelotet werden, was machbar ist. In erster Linie geht es uns jetzt darum, grüne Positionen deutlich zu machen. Uns geht es um Inhalte. Im Moment kann ich mir Schwarz-Grün in NRW nicht vorstellen. Jamaika halte ich für höchst unwahrscheinlich, weil wir es bei der FDP im Landtag mit einer Horde von marktradikalen Technokraten zu tun haben. Was bedeutet Ihre Position für den Umgang mit der Linkspartei?Löhrmann: Auch da stellt sich die Frage der Zusammenarbeit derzeit gar nicht. Alle Parteien müssen sich aber inhaltlich mit der Linkspartei auseinandersetzen. Das heißt, wir müssen die Themen glaubwürdig besetzen, wegen derer die Menschen die Linke wählen wollen. Meine Devise lautet: weder dämonisieren noch aufwerten. Ich könnte übrigens auch gut ohne die FDP im Landtag auskommen. Die FDP und die Linkspartei sind derzeit die größten Blockierer.
"Schwarz-Grün wäre inhaltlich in vielen Punkten extrem schwierig."
In zehn Jahren rot-grüner Landesregierung hat es viel Streit gegeben. Andererseits liegen Sie in vielen Positionen sehr nah an der CDU. Ist Schwarz-Grün wirklich so unrealistisch?Löhrmann: Erfreulicherweise bewegt sich die SPD in der Opposition auf uns zu. Und mancher Hardliner wie Wolfgang Clement hat sich ja selbst in der eigenen Partei isoliert. Auch haben wir unter Rot-Grün viel durchgesetzt. Schwarz-Grün wäre inhaltlich in vielen Punkten extrem schwierig: Die CDU verweigert sich einer Klimapolitik, die die Umwelt schützt und enorme wirtschaftliche Potenziale bietet. Und in der Bildungspolitik bewegt sie sich in NRW trotz immer neuer Studien keinen Millimeter. In der Sozialpolitik blinkt Ministerpräsident Rüttgers zwar links, verantwortet aber mit der FDP in NRW eine marktradikale, unsoziale und kommunalfeindliche Politik. Die NRW-Grünen streben vor der Kommunalwahl Absprachen mit der SPD an. Geben Sie damit nicht Ihre Eigenständigkeit auf?Löhrmann: Es kann vereinzelt Absprachen geben, wenn sie sinnvoll sind. Das setzt aber ein Geben und Nehmen voraus. Zudem entscheiden das unsere Leute vor Ort. Mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten sollten die NRW-Grünen in den Landtagswahlkampf ziehen?Löhrmann: Ein Schwerpunkt wird die Bildungspolitik sein. Wir fordern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, wollen die Studiengebühren abschaffen und längeres gemeinsames Lernen umsetzen mit dem Ziel: mehr Leistung und mehr Gerechtigkeit. Wichtige Themen sind zudem die Klima- und Umweltpolitik sowie der Verbraucherschutz. Sie können nicht mehr mit zwei prominenten Regierungsmitglieder punkten. Was bedeutet das für die Spitzenkandidaten?Löhrmann: Dass wir mit profilierter Oppositionsarbeit punkten. Wir haben 1995 auch ohne Regierungsbeteiligung zehn Prozent geholt. Haben Ihre beiden Landesvorsitzenden, die sich am Samstag in Hamm zur Wiederwahl stellen, den ersten Zuschlag?Löhrmann: Ein solches Verfahren gibt es bei den Grünen nicht, das entscheidet die Partei. LandesparteitagThemen In Hamm kommen heute die NRW-Grünen zu einem zweitägigen Landesparteitag zusammen. Inhaltlicher Schwerpunkt sind die Bürgerrechte sowie der Kampf gegen die Altersarmut.
Wahlen Die Delegierten wählen den Vorstand neu. Die beiden Landesvorsitzenden Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke, die seit Februar 2006 an der Spitze des Landesverbandes stehen, stellen sich zur Wiederwahl.