Pro & Contra Ist es richtig, dass die OB-Wahl stattfand?
PRO:
Ja, weil die Demokratie weder vor Mördern und Verrückten noch vor politischem Pöbel jemals wieder einknicken darf.
Von Ulli Tückmantel, ulli.tueckmantel@wz-plus.de
Zunächst: Das Ausmaß der Nicht-Teilnahme an der gestrigen Oberbürgermeister-Wahl in Deutschlands viertgrößter Stadt ist eine unerträgliche Respektlosigkeit gegenüber der Kandidatin Henriette Reker, die für die demokratischen Rechte der 800 000 wahlberechtigten Kölnerinnen und Kölner beinahe mit ihrem Leben bezahlt hätte. Man darf von der Kölner Stadtverwaltung in Kenntnis ihres Unvermögens in Wahl-Dingen wohl annehmen, dass sie die Wahl nicht aus politischer Weitsicht stattfinden ließ, sondern weil der Gesetzestext schlicht nichts anderes vorsah.
Gut so. Denn es dürfen in Deutschland niemals wieder Mordbanden, Verrückte und politischer Pöbel bestimmen, ob eine Wahl stattfindet. Wir dürfen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen. Der Attentäter wollte wahr werden lassen, was der rechtspopulistische Pöbel sich in seiner Hass-Propaganda auf der Straße und im Internet zusammenfantasiert. Es muss Schluss sein mit der Einknickerei vor Aggression und Gewalt.
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CONTRA:
Nein, aus Respekt vor der schwer verletzten OB-Kandidatin wäre es besser gewesen, die Wahl zu verschieben.
Von Annette Ludwig, annette.ludwig@wz-plus.de
Kaum 24 Stunden nach dem entsetzlichen Attentat auf Henriette Reker haben gestern die Wahllokale geöffnet. Wie aber sollen die Kölner unter diesem Eindruck ihren neuen Oberbürgermeister bzw. Oberbürgermeisterin wählen? Natürlich gilt, dass sich eine Demokratie nicht durch ein solch feiges Attentat in die Knie zwingen lassen darf. Doch Henriette Reker, als Favoritin in die Abstimmung gegangen, hatte noch gar keine Gelegenheit, sich zu erklären, ob sie jetzt überhaupt noch Oberbürgermeisterin von Köln werden möchte. Es ist zutiefst menschlich, darüber zumindest nachzudenken.
Welche Auswirkungen dieser Anschlag auf sie und ihr Leben haben wird, ist derzeit noch gar nicht absehbar. Die Wahl zum Oberbürgermeister hängt aber in erster Linie an der Person, weniger an einer Partei. Insofern wäre es besser gewesen, die Wahl zu verschieben. Aus Respekt vor der schwer verletzten Kandidatin, um ihr Zeit zu geben, zu genesen und das Erlebte zu verarbeiten.