„Kita-Abzocke — nein danke“: Grevenbroicher Mütter streiten für ihre Kitas
Rebecca Siebert startete Initiative — Stadtrat hat jetzt Beitragsänderungen beschlossen.
Düsseldorf. Für den kleinen Leon hat ein Abenteuer begonnen: Seit diesem Monat ist der Zweijährige ein Kindergartenkind. Auch seine Mutter Rebecca Siebert hat eine aufreibende Zeit hinter sich. Denn sie musste lernen: Obwohl Leon im Dezember schon drei Jahre alt wird, sollte sie für den gesamten Rest des Kindergartenjahres den teuren U3-Beitrag zahlen. Das fand sie ungerecht — und suchte sich Mitstreiterinnen, um gegen diese Ungerechtigkeit zu Felde zu ziehen. Mit Erfolg: Gerade hat der Stadtrat umfassende Änderungen der Beitragsregelung beschlossen — für den angespannten Haushalt der Stadt im Rhein-Kreis Neuss eine Herausforderung.
In der Tabelle des Steuerzahlerbundes steht Grevenbroich nicht besonders gut da: Mit einem Jahreseinkommen von 15 000 Euro pro Haushalt müssen Familien bereits Beiträge zahlen — in Münster etwa ist das erst bei 37 000 Euro der Fall. Und beim Spitzensatz für die U3-Betreuung steht Grevenbroich mit 792 Euro auf Platz vier in NRW (hinter Mülheim, Troisdorf und Bergisch Gladbach). Für Rebecca Siebert war vor allem die Stichtagregelung Stein des Anstoßes: Demnach zahlten alle Kinder den Beitrag für den Rest des Kitajahres dem Alter entsprechend, das sie zum 1. November hatten. Bei Leon sollten wenige Wochen bis zu seinem dritten Geburtstag dafür sorgen, dass er statt 120 fast 200 Euro pro Monat zahlt — und das bis zum kommenden Sommer. Die 35-jährige Mutter empfand das „als Bestrafung, dass er ein Winterkind ist“.
Um Siebert scharte sich rasch eine kleine Bürgerinitiative aus insgesamt acht Müttern, die ungerechte Gebühren, aber auch Personallücken und ein genereller Mangel an Kindertagesstätten umtrieben. Sie gründeten die Facebook-Gruppe „Kita-Abzocke — nein danke“ und haben inzwischen 1300 Mitglieder, die sich über das Netzwerk austauschen.
Die Grevenbroicherin und ihre Mitstreiterinnen suchten aber auch den Kontakt zur Politik — zum Landtag wie zur Stadt, wälzten den Haushalt, um Einsparpotenziale aufzuzeigen. „Das Geld sollte man in die Familien stecken“, findet Rebecca Siebert. „Kindergarten darf kein Luxusgut sein.“
Im März begann der „kleine Feldzug“, wie die Mutter ihn selbst nennt. Und das Engagement trug rasch Früchte: Mitte Juli beschloss der Stadtrat Änderungen der Beitragssatzung zum neuen Kindergartenjahr. Darin enthalten eine lineare Senkung aller Beiträge um zwei Prozent und eine Anhebung der Einkommensgrenze, bis zu der die Kita beitragsfrei ist, von 15 000 auf 25 000 Euro. Auch das war zentrales Anliegen der „Kita-Abzocke“-Gruppe. „Es kann doch nicht sein, dass jemand, der arbeitet, am Existenzminimum lebt und Kita-Beiträge zahlt“, verdeutlicht Siebert. Und auch in ihrem persönlichen Anliegen gewann sie: Der Stichtag wurde gekippt. Nun zahlt sie den höheren U3-Beitrag tatsächlich nur bis zu Leons drittem Geburtstag.
Bei der Stadtverwaltung Grevenbroich finde man es „gut und richtig, wenn sich Bürgerinnen und Bürger engagieren“, erklärt ein Sprecher. Man erlebe oft einen „sachlich sehr fundierten Austausch“. Allerdings: „Der Beschluss führt zu Mindereinnahmen von rund 240 000 Euro pro Jahr, die im Haushalt aufgefangen werden müssen.“ Man hofft deshalb auf eine Finanzspritze von Bund oder Land.