"Kopfnoten" auf NRW-Zeugnissen werden auf drei halbiert

Die Zahl der Zeugnisnoten für das Arbeits- und Sozialverhalten wird in Nordrhein-Westfalen auf drei halbiert. Ab dem Halbjahreszeugnis im kommenden Januar soll es nur noch Noten für Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Sorgfalt sowie Sozialverhalten geben.

Düsseldorf. Die Zahl der Zeugnisnoten für das Arbeits- und Sozialverhalten wird in Nordrhein-Westfalen auf drei halbiert. Das hat der Schulausschuss des Landtags am Mittwoch in Düsseldorf mit den Stimmen von CDU und FDP gegen SPD und Grüne beschlossen.

Ab dem Halbjahreszeugnis im kommenden Januar soll es nur noch Noten für Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Sorgfalt sowie Sozialverhalten geben.

Zensiert wird mit den Noten "sehr gut", "gut", "befriedigend" und "unbefriedigend". Schulministerin Barbara Sommer (CDU) überlässt den Schulkonferenzen die Entscheidung, ob die schlechteste Note auf dem Zeugnis begründet werden muss. Der Philologenverband und die CDU hatten diesen Spielraum zuvor für die Schulen eingefordert.

In der Grundschule gibt es Kopfnoten künftig erst ab Ende der 3. Klasse, in der Berufsausbildung entfallen sie ganz, auf Schulabschlusszeugnissen bleiben sie jedoch. Die Landesregierung reagiert mit den Änderungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen auf anhaltende Proteste von Schülern, Lehrern und Eltern.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) plädierte weiterhin für eine Abschaffung der Kopfnoten. Ein Beweis, dass die Zensuren das Arbeits- und Sozialverhalten verbesserten, sei nicht erbracht worden, kritisierten der GEW-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber und die Opposition.

Auch die Bochumer Schulforscherin Grit im Brahm bemängelte, es gebe keine Wirksamkeitsstudien zu Kopfnoten. Sie sehe aber die Gefahr, dass diese Noten die Auslese im Bildungssystem verstärkten und die Lehrer mit einer objektiven Bewertung überfordert seien. Die Vizevorsitzende der SPD-Fraktion, Ute Schäfer, forderte, wenigstens auf Abschlusszeugnissen auf Kopfnoten zu verzichten.

Meyer-Lauber betonte, es sei richtig, künftig in der Berufsausbildung auf Kopfnoten zu verzichten. Daneben sei es allerdings völlig abwegig, volljährige Abiturienten mit Prädikaten zu zensieren, die im Arbeitsrecht unzulässig wären. "Das zeigt ein tiefes Maß von Missachtung von Erwachsenen. Diese Frage müsste gerichtlich geklärt werden."

Dem hielt die Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammern NRW, Martina Ernst, entgegen, es sei überhaupt nicht einsehbar, warum Abiturienten ausgenommen werden sollten. "Gerade mit Abiturienten haben wir im Sozialverhalten häufig massive Probleme, weil sie eine spätere betriebliche Sozialisierung erfahren." Auch die FDP sieht keinen ethischen Unterschied, Abiturienten Fach- oder Kopfnoten zu erteilen. Auch Werteerziehung sei Auftrag der Schule.

Sommer betonte: "Die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten werden gewünscht." Der Prozentsatz der Beschwerden sei marginal gewesen. Widerspruch habe es weit überwiegend gegen Einzelnoten gegeben, nicht gegen die grundsätzliche Vergabe von Kopfnoten. Eine Erhebung des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung belege die hohe Akzeptanz bei den Schulleitungen und in Ausbildungsbetrieben.

Die Auswertung aller Rückmeldungen habe aber ergeben, "dass mindestens zwei Kopfnoten als überflüssig und unpräzise angesehen wurden". Für Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten, Selbstständigkeit und Kooperationsbereitschaft gibt es künftig keine Einzelzensuren mehr. Dafür wird die neue Note "Sozialverhalten" eingeführt. Sommer betonte, dass auch die konfessionellen Schulen sich künftig an die Kopfnoten-Verordnung halten müssten.

Die Dortmunder Akzeptanz-Studie sei keine wissenschaftliche Evaluation, kritisierten die Opposition und die Bochumer Schulforscherin. Schüler und Lehrer seien als ganz zentrale Gruppe gar nicht befragt worden, bemängelte im Brahm. Die GEW und die Opposition warfen der Ministerin Willkür bei der Zusammenstellung und Rechtfertigung der Kopfnoten vor.

Die CDU/FDP-Koalition hatte die Kopfnoten mit den Halbjahreszeugnissen im Januar 2008 wieder eingeführt. In den 70er Jahren waren sie abgeschafft worden. Da Zensuren für Betragen früher am Kopf des Zeugnisses standen, werden sie "Kopfnoten" genannt.