NRW Kraft seit fünf Jahren Ministerpräsidentin - geteiltes Echo
Seit fünf Jahren ist Hannelore Kraft Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Die Arbeit ihrer rot-grünen Regierung löst nicht nur Applaus aus. Das Echo ist geteilt.
Düsseldorf. Ihre schwerste Zeit waren die Tage und Wochen nach der Love-Parade-Katastrophe und dem Germanwings-Absturz - als Landesmutter. „Das Leid und die Trauer lassen einen nie mehr richtig los“, sagt Hannelore Kraft (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Am 14. Juli ist die 54-Jährige fünf Jahre Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Rot-Grün habe vieles erreicht, aber auch noch große Herausforderungen zu bewältigen, betont die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Die Opposition sieht zum Fünfjährigen keinen Anlass für Applaus. Unter Politikwissenschaftlern ist das Echo geteilt.
Bodenständig, authentisch, verwurzelt in NRW - in der Bevölkerung wird die Mülheimerin von vielen geschätzt als zupackend und nah an den Menschen. Ihre Regierung führte ein beitragsfreies Kindergartenjahr ein, schaffte die Studienbeiträge ab. Ein zentrales Versprechen bleibt „Kein Kind zurücklassen“. Mit dieser vorbeugenden Politik sei Rot-Grün erfolgreich, betont Kraft.
Die Startbedingungen waren ungewöhnlich. Rückblick: Kraft ging zunächst zögerlich eine Minderheitsregierung mit den Grünen ein, die dann 20 Monate geräuschlos funktionierte. Bei einer Neuwahl im Mai 2012 - der Landtag hatte sich nach gescheiterten Etatberatungen aufgelöst - holte die Sozialdemokratin gut 39 Prozent für ihre Partei. Da zollte sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) öffentlich Respekt. Seitdem regiert Kraft mit rot-grüner Mehrheit. Es laufe „konstruktiv und vertrauensvoll“ mit dem Koalitionspartner, sagt sie.
Auf einen Höhenflug folgte eine schwierige Phase. 2014 warf der Skandal um misshandelte Flüchtlinge in Aufnahme-Einrichtungen des Landes ein schlechtes Bild auf NRW. Mehrfach schwaches Abscheiden bei Bildungs- oder Wirtschaftsrankings lösten Kritik aus, ebenso wie hohe Schulden und eine Haushaltssperre. Als dann Gästen der Landesregierung aus Sparzwang über Wochen nur Leitungswasser angeboten wurde, hagelte es Spott. Eine geplante Sparrunde für höhere Beamte stoppte das Verfassungsgericht. Die sonst forsch-selbstbewusst auftretende Kraft wirkte dünnhäutig.
Politikwissenschaftler Wichard Woyke zieht eine äußerst kritische Bilanz. Die Haushaltspolitik nennt er „lächerlich“, mit drei Haushalten in Folge, die beim Verfassungsgerichtshof durchfielen, und dem hohen Schuldenstand des Landes - rund 140 Milliarden Euro. Für die Wirtschaft seien neue Hürden aufgebaut worden. Kraft sei zwar die populärste Politikerin in NRW, das allerdings „wegen fehlender Konkurrenz“. Das „Label Kümmerin“ sei kaum noch vorhanden.
Dagegen lobt der Düsseldorfer Politologe Ulrich von Alemann „Stabilität und Konsens“, auch wenn es „Patzer und Rückschläge“ gegeben habe. Kraft könne die nächsten Jahre optimistisch angehen, da „der mögliche Gegenkandidat der Opposition sich zur Zeit eher selbst zerlegt.“
Gemeint ist NRW-CDU-Chef und Bundesparteivize Armin Laschet, der nach der Landtagswahl 2017 gern Krafts Nachfolger werden würde. Derzeit ist er mit einem Steuerproblem und seiner „Noten-Affäre“ um verschwundene und nachträglich zweifelhaft benotete Studenten-Klausuren unter Druck. Laschet meint: „Unser Land wird weit unter Wert regiert.“ Und FDP-Chef Christian Lindner kritisiert, bei Wirtschaftswachstum, Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen oder Bildungschancen sei NRW zurückgefallen.
Der NRW-Einfluss im Bund sinke, wird Kraft öfters vorgeworfen. Sie selbst sagt dazu: „Seien Sie versichert, dass die Bedeutung von Nordrhein-Westfalen sowohl im Kreis der Bundesländer als auch bei der Bundesregierung wahrgenommen wird.“ 2013 hatte Kraft Spekulationen kategorisch zurückgewiesen, sie strebe höhere Ämter in Berlin an. Ihr Spruch „Ich werde nie, nie als Kanzlerkandidatin antreten“ ist berühmt geworden. Aktuell streitet sie um eine Verbesserung für NRW beim Länderfinanzausgleich.
Viel Arbeit wartet. Kraft nennt als zentrale fünf Aufgaben: Energiewende, Stärkung der Kommunen, Integration von Flüchtlingen, Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit und digitalen Wandel. Fakt ist: Als Regierungschefin wie auch als Vorsitzende des größten SPD-Landesverbands sitzt sie fest im Sattel.