Lehrerausbildung: Überfluss oder Not – das Kreuz mit der Statistik

Offiziell sind alle Schulformen in NRW ausreichend mit Pädagogen versorgt. Trotzdem werden Lehrkräfte gesucht.

Düsseldorf. 115 Anrufe und E-Mails hat es gedauert - dann hatte der Krefelder Schulleiter Rolf Nagels einen Deutschlehrer für eine befristete Stelle im neuen Schuljahr gefunden. Die einen waren nicht erreichbar, weil ihre Angaben in den Sammelbewerbungsmappen längst überholt waren, die nächsten hatten bereits eine Festanstellung. "Der Lehrermarkt ist komplett leer gefegt", sagt der Leiter des Gymnasiums am Stadtpark Uerdingen.

Das bestätigt auch der Sprecher der Düsseldorfer Bezirksregierung, Hans-Peter Schröder. "Laut Statistik liegt die Lehrerversorgung an allen Schulformen zwar bei 98 bis 102 Prozent", sagt er. Doch die Zahlen seien trügerisch. "Das Problem sind mittelfristige Ausfälle zum Beispiel durch Schwangerschaften oder Elternzeit." Das Geld für solche Vertretungsstellen stehe bereit. "Aber es gibt keine Leute", sagt Schröder.

"Ich habe gehört, dass zum Teil sogar pensionierte Lehrer befristet eingestellt werden, um die Lücke zu schließen", erzählt Nagels. Teilweise werden auch Akademiker mit entsprechender fachlicher, aber ohne pädagogische Ausbildung an Schulen beschäftigt. "Das sind allerdings Ausnahmefälle", sagt Andrej Priboschek, Sprecher des nordrhein-westfälischen Schulministeriums.

"Natürlich kommt es auch immer auf Fächerkombinationen an", sagt Schulleiter Nagels. So suchten Gymnasien vor allem Lehrkräfte für Latein und Mangelfächer wie die Naturwissenschaften, aber auch für Deutsch und Englisch. Dennoch fällt es ihm schwer, seinen Abiturienten zu raten, auf Lehramt zu studieren. Denn er rechnet damit, dass sich der Lehrermangel ab 2013 in einen Lehrerüberschuss verkehren könnte. "2013 gibt es zwei Abiturjahrgänge, danach fällt die Stufe 13 weg", erklärt er. Zudem erreicht die demografische Entwicklung die Schulen. So wird die Zahl der Grundschüler von derzeit 758 000 auf 671 000 bis zum Schuljahr 2015/2016 zurückgehen, bis 2020 sogar auf 645 000.

Vor einigen Jahren sei ein Lehrerüberschuss propagiert worden, sagt Nagels. Vielen Studienanfängern sei von einem Lehramtsstudium abgeraten worden. Die Folge: der momentane Lehrermangel. "Solche Entwicklungen gehen immer mit Verzögerungen einher", sagt Nagels. Abgeleitet von einem Begriff aus der Agrarwissenschaft werden solche verzögerten Auswirkungen "Schweinezyklus" genannt. Der Schulleiter warnt davor, erneut in diesen Zyklus zu geraten. Ministeriums-Sprecher Priboschek hingegen sagt: "Wir brauchen auch in Zukunft Lehrer. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, auf Lehramt zu studieren." Allerdings sollten Studienanfänger sich über die Chancen für bestimmte Schulformen und Fächer informieren.

Grundschulen 2006 haben 4000 ausgebildete Lehrkräfte keine Stelle gefunden, weil das Lehramt an Grundschulen äußerst begehrt ist. Die Situation für Stellensuchende wird sich spürbar entspannen. Bis einschließlich 2015 wird es mehr Stellen als Lehrer geben - trotz rückläufiger Schülerzahlen. Gründe sind unter anderem: Der Ausbau der offenen Ganztagsgrundschule, die Einführung von Englisch in den ersten beiden Klassen und das Vorziehen des Einschulungsalters bis zum Jahr 2014.

Sekundarstufe i Gute Einstellungs-chancen. Ab 2010 werden 1500 zusätzliche Lehrer benötigt, weil die Zahl der Wochenstunden in Haupt-, Real- und Gesamtschule erhöht wird. Es gibt auch mehr Pensionäre.

Sekundarstufe II Der Bedarf nimmt bis 2012 zu, geht ab 2013 durch den Wegfall der Stufe 13 an Gymnasien stark zurück und sinkt dort ab dann kontinuierlich. Zwischen 2013 und 2015 besteht rechnerisch an Gymnasien kein Einstellungsbedarf. Das betrifft Studienanfänger von 2005 bis 2007. An Gesamtschulen wird dann mit 250 Einstellungen pro Jahr gerechnet.