Neujahrsempfang der NRW-FDP Lindner kritisiert Obergrenze für Härtefälle bei Familiennachzug
Der FDP-Bundesvorsitzende lehnt den Sondierungsvorschlag von Union und SPD ab, eine starre Grenze von 1000 Personen beim Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte einzuziehen.
Düsseldorf. Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, hat sich beim Neujahrsempfang der NRW-FDP dagegen ausgesprochen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte auf 1000 Personen pro Monat zu begrenzen. Die Zahl sei vollkommen willkürlich gewählt, sagte Lindner in Düsseldorf. Wichtig sei die tatsächlich Prüfung der Fälle, vielleicht seien es ja 1500 in einem, in einem anderen Monat jedoch nur 39. Wer als Flüchtling bereits integriert sei und wirtschaftlich für sich selbst sorge, solle auch seine Familie nachholen dürfen.
Der FDP-Landesvorsitzende Joachim Stamp, der zugleich Vize-Ministerpräsident von NRW ist, kündigte an, seine Partei werde sich über den Bundesrat auch ohne Regierungsbeteiligung in Berlin für ein Einwanderungsgesetz einsetzen, „dass zwischen Flüchtlingen, politisch Verfolgten und solchen unterscheidet, die dauerhaft hier bleiben wollen, die wir uns aber selbst aussuchen können.“ Gleichzeitig müsse man im Bereich der Abschiebung Extremisten und Kriminelle so schnell wie möglich wieder loswerden. „Je besser unser Rückführungsmanagement funktioniert, umso großzügiger können wir bei der Einwanderung sein“, so Stamp.
Obwohl die NRW-FDP in der einen Frage, die alle ihre Anhänger umtreibt, nicht wirklich Neues zu bieten hatte, konnte sie sich über einen Mangel an Interesse wahrlich nicht beklagen: Mit rund 1700 Gästen sprengte der Neujahrsempfang der Landespartei am Sonntagvormittag nicht nur die Teilnehmerzahl des Wahljahres 2017, sondern auch die Parkplatz-Kapazität des Maritim-Hotels am Flughafen und verursachte einen Rückstau bis auf die A44. Seit Mai 2017 ist die Partei zurück in der NRW-Landesregierung. Sie stellt die größte Fraktion, die die FDP je in einem Bundesland hatte. Und mit dem Koalitionspartner läuft es am Rhein richtig gut.
Es könnte also alles super sein bei der FDP, wären da nicht die leichte Delle in den Umfragen und der schwarz-weiße Modell-Elefant im Unterhemd, der unsichtbar in der Mitte der Bühne stand. Der unsichtbare Elefant trug am Sonntag eher ungewohnt Krawatte (mit farblich passenden roten Socken dazu) und saß gut eine Stunde stumm in der ersten Reihe. Während er einerseits über 60 Minuten eigentlich keine Rolle spielte, schnitt die NRW-Partei alles auf den Mann zu, dem sie alle Erfolge der vergangenen Monate verdankt. Aber eben auch die verpasste Chance, in Berlin mitzuregieren. Wofür seine NRW-Mitstreiter um Verständnis warben, wenn man schon nicht wirklich erklären kann, warum Schwarz-Gelb in Düsseldorf reibungslos läuft, Jamaika in Berlin aber undenkbar gewesen sein soll.
Johannes Vogel, Generalsekretär der NRW-FDP aus Wermelskirchen, machte dazu den Aufwärmer. Blöd, dass er als erstes zugeben musste, dass die Sonderungsergebnisse zwischen Union und SPD bei „einigen Themen“ nicht ganz so schlimm „wie erwartet“ ausgefallen seien. Aber bei der Rente, da wolle die künftige GroKo die „die unverantwortlichen Muster der vergangenen Jahre fortsetzen“, indem sie einfach all ihre Versprechen addiere. Das könne man in NRW besser machen, so Vogel — was im Publikum keiner bezweifelte. „Unser erster Mann, Joachim Stamp“ versuchte es mit einem anderen Ansatz: „Wir haben nicht abgebrochen, weil wir nicht gestalten wollten, sondern weil wir es in der Konstellation nicht konnten“, sagte der Vize-Ministerpräsident und griff dann zum Mittel der Parodie um zu schildern, wie die „chaotischen Verhältnisse“ der Jamaika-Sondierung mit stundenlangen Wartezeiten und wenig echter Verhandlung wirklich ausgesehen hätten.
Stamp ahmte den Dialekt des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) nach, was tumb klang und es wohl auch sollte. Weil er sich (nach Stamps Erzählung) keine drei Tage habe merken können, dass er mit der FDP bereits handlungseinig war, aber trotzdem mit anderen Verhandlungspartnern noch einmal alles von vorn verhandelte. „Die Kanzlerin ließ es bewusst in asymmetrischen Arbeitsgruppen wabern“, so Stamp, denn Angela Merkel (CDU) habe ja in Wahrheit den Status quo erhalten wollen. Bei den NRW-Themen fühlte Stamp sich sichtlich wohler. Da saß auch sein Humor deutlich besser als im nachgemachten Herrmann-Bayerisch: „Kennen Sie schreiben nach Hören? Funk-tio-niert wenn al-le ganz lang-sam und deut-lich spre-chen“, leitete er zu den neuen Erfolgs-Themen der NRW-FDP über.
Als dann Christian Lindner die Bühne betrat, erwartete eigentlich so wirklich niemand mehr eine Erklärung für die verpasste Regierungschance, die die Entscheidung nachträglich schlauer aussehen ließe. Anders, als im Wahlkampf, blieb der FDP-Vorsitzende trotz des Heimspiels vor der NRW-Basis fast so blass wie seine Schwarzweiß-Fotos. Es sei keine Staatskrise, „wenn jetzt ein paar Monate keine Gesetze, Verordnungen und Erlasse beschlossen werden.“ Zum Regieren brauchen man einen Partner und „eine neue Generation von Ideen“. Während Macron in Frankreich Konflikte eingehe, würden sie bei uns „mit Geld zugeschüttet“. In Richtung Angela Merkel sagte Lindner: „Man kann ein Land mit Ambitionslosigkeit auch unterfordern.“
Jamaika sei letztlich eine schwarz-grüne Verklärung gewesen, so Lindner, der Teile von CDU und Grünen seit 2013 nachtrauerten. Immerhin könne nun niemand mehr behaupten, die politischen Parteien der Mitte wollten alle das Gleiche. „Die FDP bekommt Prügel für ihre Klarheit“, so Lindner. Und wer weiß schon, was in den nächsten Wochen noch passiert. Nur eins könne er der Partei nicht mehr empfehlen: Über Wochen winkend auf einem Balkon zu stehen, um dann immer neue Papiere zu produzieren, wie weit die Winkenden auseinander lägen.