Mittelstand lehnt Job-Garantie ab
Etikettenschwindel, Schaueffekt, Lippenbekenntnis: Der Vorschlag einiger Dax-Konzerne stößt auf Skepsis.
Solingen. Die Bundesregierung, mehrere Wirtschaftsverbände und Dax-Konzerne kündigen eine Job-Garantie für das Krisen-Jahr 2009 an, doch gestern meldeten sich die Skeptiker zu Wort. Vor allem der Mittelstand, der in den vergangenen Jahren als Jobmaschine den Arbeitsmarkt beflügelte, ist skeptisch.
"Der Mittelstand ist nicht dazu in der Lage, solche Garantien auszusprechen", sagte Friedhelm Sträter, Präsident der Industrie- und Handelskammer Wuppertal-Solingen-Remscheid. "Gerade jetzt können wir nicht sagen, was morgen ist. Glaskugellesen ist fahrlässig." Derzeit bereite vor allem mangelnde Liquidität den Firmen Sorgen. Kein Unternehmer wolle gute Mitarbeiter verlieren; die momentane Diskussion sei aber ein "reiner Schaueffekt".
Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, sprach von "Lippenbekenntnissen, die niemandem helfen". Die zentralen Punkte der Debatte:
Siemens-Chef Peter Löscher hatte vorgeschlagen, die Dax-Unternehmen könnten sich dazu verpflichten, 2009 nicht betriebsbedingt zu kündigen. Andere Konzernlenker und Wirtschaftsverbände klatschten Beifall. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich angetan und kündigte an, bei diesem Beschäftigungspakt mitzuwirken.
Die Kanzlerin kündigt an, im Januar mit den Vorstandschefs der börsennotierten Unternehmen zu verhandeln. Die Regierung will die Wirtschaft mit flankierenden Arbeitsmarkt-Maßnahmen unterstützen, wenn sie Beschäftigungsgarantien abgibt. Möglich wäre, dass der Staat Teile der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter übernimmt, die sonst der Arbeitgeber allein trägt.
Die meisten Jobs in Deutschland stellen nicht die Konzerne, sondern die mittelständischen Betriebe. Da sie nicht wie die Konzerne über hohe Reserven verfügen und derzeit auch kaum Kredite erhalten, stehen viele am Abgrund, wodurch eine Jobgarantie zur Illusion wird.
Die Bundesregierung signalisiert damit, dass sie etwas tut, und auch die großen Dax-Konzerne können so Werbung in eigener Sache machen. Aber selbst das industriefreundliche Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) prognostiziert, dass eine solche Garantie kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hätte. Denn tatsächlich haben Siemens, die Post, Bayer, Telekom, BASF und die meisten anderen der 30 Dax-Unternehmen ihren Arbeitnehmern im Gegenzug für schmerzhafte Einschnitte schon längst Beschäftigungsgarantien gegeben.
Der überwiegende Teil der Dax-Unternehmen, die in guten Jahren auf Zeitarbeiter zurückgegriffen haben, wollen diese befristeten Beschäftigungsverhältnisse nun im großen Stil abbauen.