Neue Strecke für den Eisernen Rhein

Verkehr: NRW will die historische Linie wiederbeleben. Aber auf einer anderen Trasse.

Düsseldorf. Für Oliver Wittke ist der Eiserne Rhein auf seiner alten Trasse "tot". Es sei unwirtschaftlich, die historische Strecke zwischen Antwerpen und dem Ruhrgebiet zu reaktivieren, sagt der nordrhein-westfälische Verkehrsminister. "Die Kapazitäten wären nach zwei Jahren ausgelastet." Außerdem sei die Linienführung nicht zeitgemäß, "denn die Wohnhäuser sind viel zu nah an die Gleise herangebaut". Dennoch glaubt der Christdemokrat an die Zukunft des Eisernen Rheins - allerdings auf deutschem Gebiet über eine neue, 35 Kilometer lange Trasse neben der Autobahn 52.

Das Verkehrsministerium legt nun erstmals ein Gutachten vor, das verschiedene Varianten analysiert. Ergebnis: Die zweigleisige Lösung entlang der A52 zwischen dem niederländischen Roermond und Mönchengladbach bietet die größten Chancen, die wachsenden Verkehrsströme zu bewältigen. Die sollen, vor allem durch den Wirtschaftsboom in Asien, bis 2017 um 60 Prozent anschwellen. Schon jetzt gelten bestehende Autobahnen und Eisenbahnstrecken als hoffnungslos überfrachtet. Verkehrsexperten rechnen vor: Sollte die Strecke zwischen Antwerpen und dem Ruhrgebiet aktiviert werden, könnten die Autobahnen täglich um 10 000 Lkw entlasten werden.

Anfang der 90er Jahre war der Eiserne Rhein zwar stillgelegt worden. Doch schon neun Jahre später forderte die Wirtschaft in Belgien und NRW dessen Renaissance, denn der Hafen Antwerpen hatte sich zu einen zentralen Umschlagplatz für Container entwickelt. Seitdem wird die Strecke als große Chance für den Standort Nordrhein-Westfalen gewertet. Entsetzen herrscht hingegen bei den Anwohnern, die um ihre Lebensqualität und Immobilienpreise bangen.Tatsächlich führt die alte Linie direkt durch die niederrheinischen Städte Viersen, Mönchengladbach und Krefeld - viele Wohnhäuser säumen die Trasse.

Das Gutachten der Landesregierung dürfte die Anwohner erst einmal aufatmen lassen. "Damit werfen wir einen Stein ins Wasser", sagt Wittke. Die neue Trassenführung sei sowohl im Bundesverkehrsministerium als auch in Belgien auf Wohlwollen gestoßen. Wittke hofft "mittelfristig" auf einen Staatsvertrag zwischen Deutschland, Belgien und den noch skeptischen Niederlanden. Die Regierungen wissen: Sollte diese transeuropäische Linie Wirklichkeit werden, könnten hierfür Mittel der EU eingeworben werden.

Geschichte Die Strecke zwischen Antwerpen und Duisburg wurde 1875 eröffnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sie an Bedeutung verloren: Es fand kaum noch Güterverkehr statt. Seit 1991 wird der Streckenabschnitt Roermond-Dalheim nicht mehr befahren. Von den insgesamt 160 Kilometern sind damit lediglich 15,5 Kilometer nicht betriebsfähig.

Reaktivierung Ziel ist es, den stark wachsenden Güterverkehr zu bewältigen und die Seehäfen Antwerpen und Rotterdam besser mit dem Wirtschaftsraum Rhein-Ruhr zu verknüpfen. Vor allem Belgien drängt auf eine Wiedereröffnung.

Bedenken Naturschützer haben Einwände, weil die klassische Linienführung durch das Naturschutzgebiet De Meinweg im deutsch-niederländischen Grenzgebiet verläuft. Vor allem aber laufen die Anwohner Sturm: Allein etwa 80 000 Einwohner auf deutscher Seite wären betroffen. Nachts, so die Befürchtungen, würden Güterzüge im 10-Minuten-Takt über die Strecke donnern.

Finanzierung Darauf hat NRW keinen Einfluss. Sie ist Sache der beteiligten Länder Deutschland, Belgien und der Niederlande. Zuschüsse zahlt die EU. Fest steht: Die historische Linie wäre die billigste Lösung.