Proteste gegen Erdogan in Köln geplant

Tausende wollen in Köln gegen den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan protestieren. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Viele Politiker sind gegen den geplanten Wahlkampf-Auftritt. Die Bundesregierung will Erdogan reden lassen.

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Kön/istanbul (dpa). Wenige Tage vor dem umstrittenen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln wächst der Protest: Am Samstag wollen in der Domstadt mehr als 10 000 Menschen gegen Erdogan demonstrieren und der Todesopfer des Grubenunglücks in Soma gedenken, wie die Polizei am Montag mitteilte. Allein die Alevitische Gemeinde Deutschland hat zu einem Protestmarsch 13 000 Teilnehmer angemeldet. Ein kurdischer Verein plant eine Aktion mit 1000 Menschen. Zudem rechnet die Polizei mit Spontandemos. Die Bundesregierung mahnte den türkischen Regierungschef zu Zurückhaltung und Sensibilität.

Zahlreiche Politiker sprachen sich - parteiübergreifend und deutlich - gegen den Erdogan-Auftritt aus. Er sorgt bei vielen für Empörung, weil er kurz nach dem schwersten Grubenunglück in der türkischen Geschichte mit rund 300 getöteten Kumpel stattfinden soll. Dessen ungeachtet wolle er Wahlkampf in Deutschland betreiben, werfen Politiker von CDU/CSU, SPD und Grünen Erdogan vor.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich allerdings dafür aus, den Regierungschef in Köln reden zu lassen. „Unsere Demokratie hält es aus, wenn sich Herr Erdogan an seine Landsleute wendet“, sagte er in Berlin. Er gehe er davon aus, dass Erdogan sich bei seinem Wahlkampfauftritt „in angemessener Weise an die internationalen Gepflogenheiten“ halten werde.

Der Kölner Besuch finde zu einem „sehr belasteten“ Zeitpunkt statt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert mit Blick auf die Katastrophe und die Europawahl am 25. Mai. „Wir erwarten ein sensibles, ein verantwortungsbewusstes Auftreten, damit die Veranstaltung tatsächlich zum guten Zusammenleben der Menschen in Deutschland beiträgt.“ Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte in Hessischen Rundfunk: „Wir sind eine Demokratie, deswegen kann man nicht sagen, Erdogan kriegt ein Auftritts-Verbot.“

Dagegen plädierte der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) im „Kölner Stadt-Anzeiger“ deutlich für eine Absage des Auftritts: „Es gibt jetzt Wichtigeres als reine Wahlkampftermine im Ausland wahrzunehmen.“ Im Sender N24 ergänzte Roters: „Ich glaube, Herr Erdogan hat im Augenblick eher die Aufgabe, sich um die Grubensicherheit in der Türkei zu kümmern und sich den Hinterbliebenen zu widmen, anstatt hier in Köln Wahlkampf für die Staatspräsidentenwahl zu machen.“ Und: „Innertürkische Konflikte und Gewalttätigkeiten“ dürften nicht nach Köln getragen werden.

Auch die stellvertretende Kölner CDU-Vorsitzende Serap Güler sprach sich gegen den Besuch aus. „Ich bin sicher, dass jeder, auch seine Anhänger, in dieser Situation absolutes Verständnis dafür haben, wenn Erdogan seinen Auftritt auf einer Jubiläumsfeier in Köln absagt“, sagte sie. Zeitgleich kritisierte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in Berlin: „Einen Tag vor dem deutschen Europawahltag eine türkische Erdogan-Huldigungsshow abzuliefern, ist (...) aus meiner Sicht inakzeptabel.“

Offiziell ist Anlass für die Erdogan-Rede in der Kölner Lanxess-Arena das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Es wird aber überwiegend davon ausgegangen, dass der 60-Jährige türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Präsidentenwahl am 10. August dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen.

Die Polizei bereitet sich auf Einsätze vor allem in der Kölner Innenstadt vor. „Wir sind personell gut aufgestellt“, betonte ein Sprecher. Die Alevitische Gemeinde in Deutschland will unter dem Motto „Für Demokratie und Pluralität in der Türkei“ gegen den türkischen Regierungschef Front machen. Am Mittag soll sich ein Zug durch die Innenstadt in Gang setzen, für den Nachmittag ist eine Kundgebung vor dem Dom geplant. Der kurdische Verein Mala Kurda will direkt vor der Lanxess-Arena lautstark demonstrieren. Es sei gut möglich, dass in den kommenden Tagen noch weitere Demos angemeldet würden, sagte der Polizeisprecher.

Schon 2008 hatte die deutsche Politik Erdogan heftig kritisiert, als dieser seinen Landsleuten in Köln öffentlich riet, sich der deutschen Kultur nicht allzu sehr anzupassen und sich nicht zu assimilieren. Auch aktuell wird nicht mit Vorwürfen gespart. Schon ohne das Unglück wäre die „glasklare Wahlkampfveranstaltung“ Erdogans „nur schwer erträglich“, sagte Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, bei N24. Nach dem Drama von Soma müsse er nun aber prioritär die Hintergründe der Katastrophe aufklären. Erdogan stehe nicht für Demokratie, sondern für die Einschränkung von Meinungsfreiheit und ein „überhartes Vorgehen gegen Demonstranten“.