NRW Vereinbarung: Der Wandel der alten Bergbauflächen
Vor drei Jahren nahmen Land, Kommunen und RAG 20 Standorte in Angriff. Inzwischen sind viele Brachen schon im Umbruch begriffen.
Düsseldorf. Der Wandel begann an einem Dienstag. Es war der 25. Februar 2014, als auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ewald in Herten die sogenannte Bergbauflächen-Vereinbarung unterzeichnet wurde. Bei den Unterschriften fanden sich unter anderem die Namen von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), Prof. Hans-Peter Noll, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien, und Karola Geiß-Netthöfel, der Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Gut drei Jahre später sitzen die drei wieder an einem Dienstag im Düsseldorfer Landtag zusammen und legen ihre Zwischenbilanz vor — eine, die sich sehen lassen kann, wie Duin überzeugt ist.
Es war eine ungewöhnliche öffentlich-private Vereinbarung damals. Das gemeinsame Ziel von Land, Kommunen und Unternehmen: dem absehbaren Ende des Steinkohlebergbaus eine neue Perspektive abzugewinnen. Die alte Phrase „Scheitern als Chance“ wurde zu „Wandel als Chance“ und die drei Beteiligten nahmen 20 Bergbauflächen in 17 Städten mit einer Größe von insgesamt 1000 Hektar in Angriff — zum Teil, „als noch Kohle gefördert wurde“, sagt Duin.
Viel Geld wurde in die Hand genommen: 75 Millionen Euro an Landesmitteln, knapp zur Hälfte aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums, dazu noch einmal 60 Millionen Euro des RAG-Konzern. Auch die Kreise und Kommunen sind mit einem Eigenanteil beteiligt. Am Ende sollen weitere 400 Millionen Euro an privaten Folgeinvestitionen stehen. Bisher sind es schon mehr als 150 Millionen.
Heute, nach drei Jahren, seien von den 1000 Hektar bereits etwa 200 Hektar vermarktungsfähig, sagt Noll. „Und davon sind 100 Hektar bereits komplett vermarktet.“ Zehn Prozent nach drei Jahren — das klingt wenig, aber nur, wenn man übersieht, welcher Kraftakt hinter der Neuerschließung einer Industriebrache steht.
Schließlich sehe man sich in allen Fällen einer „Stätte der Niederlage“ gegenüber, formuliert Noll dramatisch. Die alten Anlagen müssen abgerissen, etwaige Altlasten beseitigt und gewaltige Fundamente herausgerissen werden. Dann wird das Gelände baureif gemacht und erschlossen. Die Kommunen können aber Planungsrecht erst schaffen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. „Darum nehmen wir im Regionalplan Ruhr, der bald fertig ist, auch die Zweckbindung für die Bergbauflächen heraus“, kündigt Geiß-Netthöfel an. „Das macht es den Kommunen leichter, ihre Planungen anzugehen.“
Denn die stehen beim Flächenbedarf unter Druck. Essen beispielsweise rekrutiert seine Flächen zu 100 Prozent aus Industriebrachen. „Und es ist nicht so, dass keine Investoren mehr ins Ruhrgebiet wollen“, beteuert die Regionaldirektorin. Neben Wohnen, Gewerbe und Industrie wünscht sie sich im Zuge des Umbaus aber auch ausdrücklich Flächen zur Ansiedlung von Start-up-Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Die Konzepte variieren aber ohnehin von Standort zu Standort. In Dinslaken beispielsweise wächst auf 40 Hektar der ehemaligen Zeche Lohberg ein neues „Kreativ-Quartier“ mit Platz für Gewerbe und Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Freizeit und Arbeiten. Seit einem Jahr produziert die Windkraftanlage auf der Halde Lohberg-Nord Strom; auch die Photovoltaikanlage auf der alten Kohlenmischhalle ist seit Anfang dieses Jahres am Netz. „Hier entsteht das größte CO2-neutrale Siedlungsgebiet Deutschlands“, schwärmt Dinslakens Bürgermeister Michael Heidinger.
Weiteres Vorzeigeprojekt ist das Stadtquartier, das sich auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Niederberg in Neukirchen-Vluyn entwickelt: mit 305 Wohneinheiten und rund 1000 neuen Bewohnern. Zusätzlich befindet sich dort ein Gewerbegebiet im Aufbau, das schon zur Hälfte aufgefüllt ist mit teils hoch spezialisierten Handwerks- und mittelständischen Betrieben.
Einer Sorge will Minister Duin bei dem gesamten Entwicklungsprozess auf den alten Bergbauflächen aber entgegentreten: „Oft heißt es, wer keine Brache hat, verliert. Das ist falsch.“ Es werde natürlich im im ländlichen Raum weiterhin Flächenentwicklungen geben.
Aber im Bergbau sind mit der drei Jahre alten Vereinbarung noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Laut Noll stehen über die 1000 Hektar hinaus weitere 1200 Hektar an potenzieller Entwicklungsfläche zur Verfügung. Sie sollen ab 2019 angegangen werden. Dann würde ein weiteres Kapitel des Strukturwandels aufgeschlagen — und ein Kapitel Industriegeschichte beendet.