Wachwechsel: Stahlbaron an RWE-Spitze
Der Vertrag von Harry Roels wird nicht verlängert. 2008 übernimmt Jürgen Großmann den Chefposten.
Essen. Die Überraschung über die künftige Besetzung des Chefpostens bei RWE ist den Essenern gut gelungen, und zwar in in mehrfacher Hinsicht. Auf den niederländischen Chemiker und früheren Shell-Manager Harry Roels (58) folgt der Stahlunternehmer Jürgen Großmann. Damit haben die wilden Spekulationen, die von Steag-Chef Alfred Tacke über den arbeitslosen früheren Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke bis hin zu EWE-Chef Werner Brinker reichten, ein Ende. Im Gegensatz zu Roels, der RWE zu einer Art "Stadtwerk mit europäischer Dimension" machte, verfügt Großmann über keinerlei Erfahrung in der Energiebranche, höchstens als Großverbraucher für die ihm gehörende Osnabrücker Georgsmarienhütte. Dort hat der frühere Assistent des legendären Chefs der Duisburger Klöckner-Werke, Herbert Gienow, sein "Meisterstück" abgeliefert. Aus dem Klöckner-Vorstand heraus machte er sich mit dem Kauf der bankrotten Hütte für zwei DM selbstständig. In kurzer Zeit sanierte er sie. Heute gehören zur Holding 43 Unternehmen mit 2,2 Milliarden Euro Umsatz, über 100 Millionen Euro Gewinn und 9000 Beschäftigten. Für seine Mitarbeiter geht der hemdsärmelige, bullige Zwei-Meter-Mann durchs Feuer: Für sie grillt er sogar auf Betriebsfesten. Gelernt hat er das im eigenen Ein-Sterne-Restaurant "La Vie" in Osnabrück.
Erwin: Ein Energiemanager wäre besser gewesen
Ende 2006 schied Großmann aber - überraschend - aus dem operativen Geschäft des Stahkochers aus und wechselte in den Aufsichtsrat. Wahrscheinlich hatte der Oberkontrolleur von RWE, WestLB-Chef Thomas Fischer, bereits seine Fühler nach Großmann ausgestreckt und verwahrte die Personalie in der Schublade. Eventuell liefen die Kontakte über Heinz-Eberhard Holl, den Geschäftsführer der kommunalen Aktionäre, die nie Gefallen an Roels gefunden hatten - mit 28 Prozent Anteilen aber immer noch die wichtigste Aktionärsgruppe bei RWE sind. Holl sitzt sowohl bei RWE als auch bei der Georgsmarienhütte im Aufsichtsrat.Roels, der mit dem Verkauf des Bau-, Druck- , Entsorgungs- und Wassergeschäfts 20 Milliarden Euro Schulden seines Vorgängers abgebaut hat, hat dagegen viele Freunde an der Börse, die den um ein Drittel höheren Kurs und die ständig steigende Dividende gut finden. Die RWE-Aktie brach daher gestern um über 3,5 Prozent ein.