Jungenarbeit: Sind Jungen doch das schwächere Geschlecht?

Sie sind schlechter in der Schule. Sie sind öfter krank. Und sie leiden unter abwesenden Vätern.

Düsseldorf. Es klingt wie die Antwort auf die Emanzipation. Nachdem sich die Gleichstellungsdebatte jahrzehntelang um Frauen und Mädchen gedreht hat, rücken nun die Jungen als benachteiligtes Geschlecht in den Vordergrund. Bundesweit schießen die Jungenprojekte aus dem Boden. Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jungenarbeit verzeichnet in NRW inzwischen über 135 Projekte und Arbeitsgruppen. In knapp 60 Städten gibt es mindestens ein Projekt, das sich mit der gezielten Förderungen von Jungen und Männern befasst.

Gründe für den gesonderten Blick auf das männliche Geschlecht gibt es genug. Von den Schülern, die 2005 nicht einmal den Hauptschulabschluss schafften, sind 64 Prozent Jungen. Die Abiturienten sind dagegen zu 57 Prozent weiblich.

Dazu kommen Erkenntnisse aus der Medizin: So werden Jungen im Kindesalter häufiger krank. Nach einer Expertise des NRW-Schulministeriums treten bei ihnen viele psychische und psychosomatische Erkrankungen häufiger auf. Auch Stottern, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten sind vor allem Probleme von Jungen.

Allerdings will die Jungenarbeit weit mehr als nur bestehende Nachteile auszugleichen. "Uns geht es vor allem darum, die Vielfältigkeit der Männlichkeit aufzuzeigen", erklärt Sandro dell’Anna, Leiter der LAG Jungenarbeit NRW. Im Klartext: Es geht um den Abschied vom klassischen Männerbild. Schluss mit dem Alleinernährer, der sich durch die Welt boxt und keine Schwächen zeigt. "Das klassische Männerbild ist in vielen Bereichen auch ungesund", sagt dell’Anna. Das zeige sich unter anderem beim erhöhten Schlaganfallrisiko und beim Alkoholkonsum.

Als großes Problem werden die abwesenden Väter ausgemacht. Jungen wüchsen vor allem mit weiblichen Bezugspersonen auf, konstatiert der Berliner Männerforscher Michael Cremers. Für die Jungenarbeit heißt das: Es werden männliche Fachkräfte gebraucht. "Wir brauchen Männer, die den Jungen Rede und Antwort stehen, wenn sie sich fragen: ’Was heißt das eigentlich, Mann zu sein?’", sagt dell’Anna.

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