Merkel in der Atom-Zwickmühle

Die Kanzlerin kommt durch eine Kampagne der Wirtschaft verstärkt unter Druck.

Berlin. Für die Opposition war die Sache klar. "Da sprechen alte Männer in teuren Anzügen vom Erhalt der Lebensgrundlagen und meinen nur ihre eigenen Milliarden", höhnte Grünen-Chef Cem Özdemir über eine Millionen teure Kampagne aus der Energiebranche. SPD-Chef Sigmar Gabriel riet der Kanzlerin, die Gespräche mit den Konzernen sofort abzubrechen und die Brennelementesteuer durchzusetzen.

Doch Angela Merkel saß den Frontalangriff aus der Wirtschaft gegen den Kurs ihres Umweltministers Norbert Röttgen erst einmal aus. "Es ist wichtig, das sich neben den Kritikern der Kernenergie auch diejenigen zu Wort melden, die sie als Brückentechnologie noch eine Zeitlang für notwendig halten", so die Kanzlerin. Doch intern war aus dem Kanzleramt auch Verstimmung spürbar.

Die Regierungschefin befindet sich in einer schwierigen Zwickmühle. Geht sie auf die Forderungen der Stromkonzerne ein und verzichtet auf den staatlichen Anteil an den Zusatz-Gewinnen in Milliardenhöhe, setzt sie sich dem Vorwurf aus, wieder einmal Klientel-Politik zu betreiben. Ein solches Nachgeben würde zudem wohl alle schwarz-grünen Träume für 2013 endgültig beenden. Stellt sich Merkel aber hinter Röttgens Position nach einem möglichst zügigen Ausstieg, droht ihr ein dauerhafter Sympathieentzug aus der Wirtschaft.

In dem Umweltminister sieht vor allem die Strombranche derzeit ihren größten Gegner. Seine Forderung, den Atommeilern maximal acht Jahre Nachspielzeit zu geben, hat für wachsende Unruhe gesorgt. Gerüchte kursieren, dass Röttgen von maßgeblichen Kräften mit Wirtschaftsnähe als neuer CDU-Landeschef in Nordrhein-Westfalen unbedingt verhindert werden soll.

Der Umweltminister gibt sich unbeirrt, dass an der finanziellen Belastung der Stromkonzerne, wie es auch im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, nicht mehr gerüttelt wird. Merkel allerdings lässt weiter offen, ob als Steuer oder als Abgabe. "Solange kein anderer Vorschlag auf dem Tisch ist, bleibt es bei der Steuer", hielt sich die Kanzlerin am Sonntag alle Türen offen.