Merkel und Steinmeier – nun Gegner am Kabinettstisch

Die Kanzlerin stellt sich auf die neue Rolle des Außenministers ein. Agenda 2010 und Linkspartei bieten Angriffsflächen.

Berlin. Sie frage sich manchmal, ob sie nicht besser gleich bei Andrea Nahles anstatt beim SPD-Vorsitzenden anrufen solle. Diese bissige Bemerkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde im Frühjahr vernommen, als Kurt Beck noch Parteichef war und die SPD-Linke Nahles den Kurs der Sozialdemokraten prägte. Mit der Rückkehr von Franz Müntefering und der Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier muss sich Merkel auf ein grundlegend neues Machtgefüge innerhalb der SPD und der Großen Koalition einstellen.

Ein Vize, der den Job der Kanzlerin will, sitzt jetzt mit am Kabinettstisch. Das dürfte sich auch auf die Arbeit der Koalition auswirken. Als Herausforderer von Merkel wird sich der Außenminister zunehmend zu innenpolitischen Fragen äußern müssen. Die Opposition warnt schon vor einem "Dauerwahlkampf" bis zur Wahl im Herbst 2009.

Glaubt man Umfragen, muss Merkel ihren Herausforderer mehr fürchten als den zurückgetretenen SPD-Chef Beck. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend erreichte Steinmeier teilweise sogar bessere Werte als die Kanzlerin. 67 Prozent zeigten sich mit der Arbeit des Außenministers zufrieden. Merkel lag bei 63 Prozent Zustimmung nur knapp vor Müntefering, der 62 Prozent erzielte.

Entsprechend bemüht ist die CDU-Führung, Gelassenheit zu demonstrieren. Auf die Frage, ob er die dramatische SPD-Klausur am Schwielowsee vor dem Fernseher verfolgt habe, antwortete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ironisch: "Ich fand die Sache so spannend, dass ich eine Stunde joggen gegangen bin." Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) spottete: "Bundesligatrainer ist ein sehr viel sicherer Job als SPD-Vorsitzender."

Angriffsfläche erkennen die CDU-Strategen vor allem in der Tatsache, dass sowohl Steinmeier als auch Müntefering als Architekten der Agenda 2010 gelten. Pofalla erinnerte daran, dass sich Müntefering beim Hamburger Parteitag im Herbst 2007 nicht gegen Beck durchsetzen konnte, als dieser Korrekturen an den umstrittenen Arbeitsmarktreformen vornehmen wollte.

Auch mit dem geplanten Linksbündnis in Hessen will die Union die SPD in die Defensive drängen. Steinmeier hält daran fest, der hessischen SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti freie Hand bei ihrer Koalitionsentscheidung zu geben. "Steinmeier müsste Ypsilanti zurückpfeifen", sagte Michael Fuchs, CDU-Mittelstandssprecher. "Er kann nicht glaubwürdig einen Kurs gegen die Linkspartei im Bund vertreten, wenn die SPD in Hessen mit den Linken gemeinsame Sache macht."

Vize-Regierungssprecher Steg erklärte, Merkel und Steinmeier hätten sich in einem Telefonat versichert, dass es 2009 einen kurzen und menschlich fairen Wahlkampf geben solle. Angesichts des chaotischen Führungswechsels bei der SPD will die Kanzlerin ihre Partei als stabilen Faktor darstellen. Die Union werde weiterhin "die Kraft der Mitte" sein, sagte Merkel.

Es folgte ein Dankeschön für Becks "zuverlässige Arbeit", eine Gratulation an Steinmeier - und wie nebenbei bemerkte die Kanzlerin, aus ihrer Sicht seien die Umstände der Ernennung ihres Herausforderers "eigentlich der Würde einer Volkspartei nicht entsprechend".