Kiew. In der Karwoche stürzte Viktor Juschtschenko sein Land in eine tiefe Krise. Zu Pfingsten verkündete er dann die frohe Botschaft. "Wir haben eine Lösung gefunden", rief der ukrainische Präsident nach der Einigung mit dem politischen Gegner. Manchem gläubigen Ukrainer kam es wie ein Pfingstwunder vor. Nach der dramatischen Zuspitzung der Machtkonfrontation einigten sich Juschtschenko und sein Kontrahent Viktor Janukowitsch doch noch auf einen Termin für die Parlamentsneuwahl. Einiges spricht dafür, dass der aus der Ostukraine stammende Janukowitsch gestärkt aus dem Kräftevergleich hervorgeht.
Juschtschenko rechtfertigte sich mit biblischem Zorn
Der religiöse Juschtschenko hatte am 2. April das Parlament aufgelöst, nachdem einige Abgeordnete aus seinen Reihen zum Gegner übergelaufen waren. Der Präsident musste fürchten, bald eine mit Vetomacht ausgestattete Zweidrittelmehrheit in der Werchowna Rada gegen sich zu haben. Mit biblischem Zorn rechtfertigte Juschtschenko seine umstrittene Entscheidung. "Es ist unsere Pflicht, den Tempel von Pharisäern und Wucherern zu säubern", rief Juschtschenko wenige Tage vor dem Osterfest.Es folgte ein Chaos in der ukrainischen Politik, das einer Heimsuchung glich. Die Parlamentsmehrheit widersetzte sich der Anordnung zur Auflösung und rief das Verfassungsgericht an. Die Richter gerieten derart zwischen die Fronten, dass sich ein Großteil krankmeldete. Zehntausende Demonstranten trugen den Dauerprotest auf die Straßen Kiews. Zuletzt versuchten die beiden Viktors, Einheiten der bewaffneten Staatsmacht auf ihre Seite zu ziehen. Erst als Polizei- und Staatsschutztruppen aufeinander losgingen, kamen sie zur Besinnung. Es ist nicht das erste Mal, dass die Kontrahenten aus den Tagen der Orangenen Revolution mit versöhnlichen Gesten einen Kompromiss verkündet haben. Dieses Mal jedoch scheint die Vereinbarung auf breitem Fundament zu stehen. Denn außer den Kommunisten haben alle großen Parteien ihre Zustimmung zur Wahl am 30. September gegeben. Juschtschenko hat sich zwar mit seiner Forderung nach Neuwahlen durchgesetzt. Sein Kontrahent Janukowitsch drückte aber den späten Wahltermin im Herbst durch. Bis dahin bleibt der Regierung genug Zeit, ihr Ansehen in der Bevölkerung mit spürbaren Gehalts- und Rentensteigerungen aufzupolieren.