Obamas Doppelstrategie in Sachen Afghanistan
Der Präsident will erst mehr Soldaten in den Krieg schicken und dann den Rückzug vorbereiten.
Washington. Angetreten war er als Friedenspräsident. Nun aber wird Barack Obama mehr Soldaten nach Afghanistan schicken als zu jedem Zeitpunkt seit Beginn des acht Jahre alten Militäreinsatzes. Gleichzeitig will er den Rückzug vorbereiten. Das wurde bei seiner Rede gestern an die Nation deutlich.
Seinerzeit von Republikanern als Pazifist beschimpft, muss Obama nun mit noch größerer Kritik in der eigenen Partei fertig werden und auch jene Allierten überzeugen, die das Weiße Haus verstärkt in die Pflicht nehmen will. Mit seiner Doppelstrategie muss Obama eine schwierige Gratwanderung meistern.
Nach monatelangem Tauziehen zwischen gemäßigten sowie linksgerichteten Demokraten, die ein rasches Kriegsende fordern, und führenden Generälen, die nur mit einer stärkeren Militärpräsenz glauben, die Taliban in Schach halten zu können, gab der Präsident schließlich dem Druck der militärischen Befehlshaber nach.
Bereits im Sommer hatte der zuständige Oberbefehlshaber General Stanley McChrystal 40.000 zusätzliche Soldaten gefordert. Zwar wird er von amerikanischer Seite nur 34.000 bekommen, die ab Januar kommenden Jahres in mehreren Phasen entsandt werden. Den Unterschied sollen dann Verbündete wie Großbritannien und Deutschland ausgleichen, die Obama während der kommenden Wochen mit großem Engagement umwerben will.
Probleme könnte Obama aber nicht nur im Ausland haben. In den USA nämlich hagelt es Kritik von allen Seiten. Mit jeder weiteren Meldung über einen gefallenen Soldaten wächst in der breiten Öffentlichkeit die Unzufriedenheit mit dem Kriegsverlauf.
Während die Opposition ihm Heuchelei und Inkonsequenz vorwirft, haben demokratische Parteifreunde nicht nur ideologische Einwände. Sie bangen vor allem um die eigene politische Zukunft. Schließlich erlitten die Demokraten bei den Gouverneurswahlen Anfang November eine peinliche Schlappe, größtenteils wegen des wachsenden Unmuts über die Lage in Afghanistan.
Der Präsident aber lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er betrachtet die Truppenaufstockung vielmehr als ersten Teil eines schrittweisen Rückzugsplans. Ziel ist es demnach, die Regierung in Kabul politisch zu stärken. Unter anderem soll die Zahl der aktiven Soldaten im afghanischen Militär von 90.000 auf 134.000 erhöht werden.
Auc³h soll Präsident Hamid Karsai animiert werden, im Kampf gegen El Kaida enger mit Pakistan zusammenzuarbeiten. Ob allerdings ein konkreter Zeitplan für den Abzug des letzten US-Soldaten eingehalten werden kann, ist unsicherer denn je.