Rechte in Europa auf dem Vormarsch
Die Kritiker der EU und die Euro-Skeptiker sind die heimlichen Sieger vom Sonntag. Bündeln sie nun ihre Kräfte?
Brüssel. Es ist ein denkwürdiges Ergebnis. Die euro-kritischen und rechtspopulistischen Parteien sind die heimlichen Gewinner der Europawahl. In zahlreichen Ländern haben sie deutlich zugelegt, in Frankreich und Großbritannien sogar die Spitze der Parteienlandschaft erobert.
In Deutschland fährt die euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) aus dem Stand sieben Sitze ein. Und selbst ein Abgeordneter der rechtsextremen NPD, gegen die in Deutschland ein Verbotsverfahren läuft, darf künftig mitreden im Europaparlament.
Woher kommt der Aufschwung der rechten Parteien? Experten nennen eine Reihe von Gründen: Frust der Bürger über die schlechte wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat, Arbeitslosigkeit und harte Spardiktate der EU. Wut, dass „die in Brüssel“ andauernd über Markt und Wettbewerb reden, nicht aber über soziale Fragen.
Der Erfolg der Rechtspopulisten und Euro-Kritiker sei Ausdruck nicht gelöster Konflikte in der EU, meint der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel. Kritische Äußerungen zu den Strukturen der EU würden ausgebremst, heikle Diskussionen etwa über Migration nicht offen und ehrlich geführt. Zu oft machten nationale Regierungen daheim auch die EU für unpopuläre Entscheidungen verantwortlich.
Und so wetterten Rechtspopulisten und Euro-Kritiker im Wahlkampf lautstark gegen den Euro, gegen Zuwanderer und Bevormundung aus Brüssel. Mit beachtlichem Erfolg.
In Großbritannien jubelt am Tag nach der Wahl der Rechtspopulist Nigel Farage. Er hat seine Unabhängigkeitspartei Ukip mit einem streng auf EU-Austritt getrimmten Programm klar an die Spitze des politischen Spektrums in Großbritannien gehievt. In Frankreich hat der Sieg des Front National historische Dimensionen. Nie war der Anteil der Partei bei einer nationalen Wahl so hoch. Erstmals haben sich die Rechtsextremen auf Platz eins in der Parteienlandschaft geschoben — angeführt von Frontfrau Marine Le Pen.
Ihr neuer Verbündeter in Europa, der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, musste mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) zwar Einbußen hinnehmen, aber weniger als zunächst angenommen. Und so twitterte Wilders in der Nacht zu Montag gut gelaunt: „Auf zu einer großen europa-kritischen Fraktion im EP gemeinsam mit dem nächsten Präsidenten Frankreichs, Marine Le Pen.“
Die beiden hatten vor Monaten einen Pakt geschlossen — für eine eigene Fraktion im EU-Parlament. Dafür brauchen sie mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten.
Die österreichische FPÖ gilt dabei als gesetzt. Viele andere halten sich zu einer möglichen Kooperation aber bedeckt — oder sie halten Abstand. Die Ukip etwa hat wohl kein Interesse. Auch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei eher nicht.
Die eurokritische AfD bemüht sich um größtmöglichen Abstand von Kräften wie der Front National. Er bedauere den Siegeszug der Rechtspopulisten, sagte Parteichef Bernd Lucke. Mit solchen radikalen Kräften sei keinerlei Kooperation denkbar.