Analyse Seehofers Abgang soll die Wogen endgültig glätten

Berlin · Der 70-Jährige tritt als CSU-Chef ab. Innenminister will er unbedingt bleiben. Die Union setzt auf neue Harmonie.

70 und (k)ein bisschen müde? Horst Seehofer im Bundeskabinett.

Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

„Ich bin und bleibe Innenminister.“ Punkt. Aus. Wenn Horst Seehofer an diesem Samstag in München nach mehr als zehn Jahren den CSU-Parteivorsitz abgibt und Ministerpräsident Markus Söder auch dieses Amt von ihm übernimmt, ist das eine Zeitenwende im Freistaat. Politisch und personell verändern soll sich aber nur etwas in Bayern, nicht in Berlin. Das hat dem Vernehmen nach Söder dem geliebten Feind Seehofer garantiert.

Die mit dem bald 70-Jährigen in diesen Tagen viel zu tun haben, berichten, er sei wieder „voller Tatendrang“. Als ob eine Last von ihm abgefallen ist durch die – wenn auch erzwungene – Abgabe des wichtigsten Parteipostens. Und überhaupt: In der Union verbinden sie mit dem Schritt große Erwartungen. Nicht an Seehofer, sondern an Nachfolger Söder. Er trifft als neuer CSU-Chef auf eine neue CDU-Vorsitzende. „Die Chance ist groß, dass der Burgfrieden der Schwestern kein kurzfristiger ist“, heißt es in der Union. Zwischen Söder und Annegret Kramp-Karrenbauer gebe es keine „persönlichen Verkantungen“. Anders als zwischen Seehofer und Angela Merkel.

Tatsächlich muss man konstatieren: Schon seit längerem streiten die Unionsparteien nicht mehr. Im Gegenteil, bei der CSU-Klausur in Kloster Seeon Anfang Januar lagen sich Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und CDU-„Schwester“ Kramp-Karrenbauer förmlich in den Armen.

„Das war nicht nur Show“, sagt einer aus der Landesgruppe. „Wir haben aus 2018 gelernt.“ 2018, das war das Jahr, in dem Horst Seehofer die Koalition und die Unionsgemeinschaft wegen eines Punktes in seinem „Masterplan Migration“ an den Rand des Bruchs brachte, wodurch die Union im Bund und die CSU in Bayern in den Umfragen böse abstürzten. Schließlich auch bei der Landtagswahl im Freistaat. Künftig haben nun andere das Sagen und damit mehr Einfluss als Seehofer. Das, so die Hoffnung, „trägt zur Beruhigung bei“.

Seehofer will keinesfalls vor Merkel aufhören

Ab Samstagnachmittag wird er also nur noch Fachminister sein. Allerdings in Zeiten des Terrors und der Flüchtlingsbewegungen ein sehr wichtiger. In Berlin wird kolportiert, dass der inhaltlich so wendige Ingolstädter keinesfalls eher aufhören möchte als Angela Merkel. Um nicht auf die lange Liste derer zu geraten, die die Kanzlerin politisch überlebt hat. Also wird er seinen Job akribisch weitermachen. Muss er auch, denn die Herausforderungen sind groß. Als Innenminister kann man sich eigentlich keine Pausen gönnen, und dann noch der mit Bauen und Heimat extrem vergrößerte Geschäftsbereich.

Vor wenigen Tagen wurde er danach gefragt, was sein größter Fehler gewesen sei. „Dass ich nach dem triumphalen Wahlerfolg 2013 erklärt habe, das nächste Mal nicht mehr zu kandidieren.“ Damals holte Seehofer für die CSU die absolute Mehrheit zurück. Doch mit seiner Ankündigung, nicht mehr Landesvater sein zu wollen, begann sein politischer Abstieg.

Nach der verlorenen Bundestagswahl die Demontage. Der  Prozess wurde kräftig beschleunigt durch seinen ewigen Streit mit der Kanzlerin um die Flüchtlingspolitik, durch sein Vorgehen in der Affäre um den Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen – und durch viele ungeschickte Äußerungen wie etwa die, dass die Migration die „Mutter aller Probleme“ sei. Er, der nervenstarke Taktiker, ist im Laufe der Jahre von seinem politischen Instinkt für das Richtige verlassen worden. Revidieren lässt sich so etwas kaum noch.