Seit dem Mauerfall flossen 1,3 Billionen Euro in den Osten

Innenminister de Maizière erwartet bis zum Jahr 2019 eine Angleichung der Lebensverhältnisse.

Berlin. Seit 1991 sind laut einer Studie insgesamt 1,3 Billionen Euro Transferleistungen in den Osten geflossen. Das geht aus einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor.

Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geht davon aus, dass es in zehn Jahren annähernd gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West gibt. Der Studie zufolge sind zwischen 1991 und 2005 rund 67 Prozent der nach Osten transferierten Gelder in Sozialleistungen geflossen, nur knapp über zehn Prozent in wachstumsfördernde Maßnahmen. "In den vergangenen Jahren ist die Höhe der Sozialtransfers im Osten eher noch gestiegen", sagt Joachim Ragnitz, einer der Autoren der Studie.

Die Wissenschaftler warnen aber davor, die Zahlen der Studie als "Kosten der Einheit" aufzurechnen. So würden etwa in Westdeutschland arbeitende Ostdeutsche dort eine jährliche Wertschöpfung von 60 bis 70 Milliarden Euro erzielen, sagt IWH-Präsident Ulrich Blum. Außerdem erzielen laut der Studie nur 47,6 Prozent der in den Osten transferierten Gelder dort eine Wertschöpfung. Das restliche Geld fließe wieder in den Westen oder ins Ausland.

De Maizière sagt, bis 2019 würden die ostdeutschen Länder "annähernd auf dem gleichen wirtschaftlichen Niveau" sein wie der Durchschnitt der westdeutschen Länder". Für ein "Unterlegenheitsgefühl" gebe es keinen Grund mehr.

Zurückhaltender äußert sich der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker. "Wir haben noch nicht ausreichend teilen gelernt", sagt er. Zugleich wirft er Westdeutschen vor, sich zu wenig mit dem Osten zu beschäftigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauert Härten, die es im Zuge der Wiedervereinigung gegeben habe. So wisse sie von einem in der DDR sehr engagierten Arzt, der nach der Rückübertragung seines Wohnhauses an die früheren Eigentümer die Miete nicht mehr habe zahlen können. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äußert Verständnis dafür, dass sich viele Ostdeutsche immer noch als Bürger zweiter Klasse fühlten. "Viele Ostdeutsche sind auch so behandelt worden", sagt er. Wowereit wirft Merkel vor, sich trotz ihrer Herkunft zu wenig um den Osten Deutschlands zu kümmern: "Der Aufbau Ost hat bei ihr keinen großen Stellenwert."

Die Gewerkschaften verweisen auf die weiter bestehende tiefe Kluft auf dem Arbeitsmarkt. Nach einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) suchen in den neuen Ländern fast doppelt so viele Menschen einen Job wie in den alten Ländern. Zudem fänden im Osten viele Menschen nur im Niedriglohnsektor Arbeit.