SPD-Landeschefin will mit Grünen den Wechsel schaffen

Vor der NRW-Wahl wirbt Hannelore Kraft für Rot-Grün, schließt aber nichts aus.

Frau Kraft, vor drei Monaten waren Sie krasse Außenseiterin, heute stehen Schwarz-Gelb und Rot-Grün in Umfragen gleichauf. Wie groß sind Ihre Chancen, Ministerpräsidentin zu werden?

Kraft: Sehr gut, und sie werden jeden Tag besser. Aber ich habe die Chancen auch nie so schlecht gesehen. Allerdings haben wir in NRW lange unter dem bundespolitischen Trend gelitten. Ich freue mich, dass wir jetzt im Wahlkampf über Inhalte reden.

Um Ihr Ziel zu erreichen, brauchen Sie mindestens einen Partner. Wie sehr trauen Sie den Grünen, die sich ja gerade wieder der CDU angedient haben?

Kraft: Die Grünen sind auf allen zentralen Politikfeldern - also Bildung, Kommunalpolitik, soziale Gerechtigkeit sowie Wirtschaft und Umwelt - die Partei, mit der wir unsere Ziele am besten umsetzen können. In den aktuellen Umfragen ist die Zustimmung zu Rot-Grün mit Abstand am Größten. Die Menschen wollen Schwarz-Gelb nicht mehr. Sie wollen den Wechsel.

Aber wollen die Grünen das auch mit Ihnen?

Kraft: Die allermeisten Grünen sicher. Doch eines ist klar: Wer Herrn Rüttgers wirklich weg haben will und Rot-Grün will, muss SPD wählen.

Oder es gibt eine Große Koalition?

Kraft: Das sehe ich nicht, wir haben deutlich unterschiedliche Positionen. Vor allem in der Bildung ginge es mit der CDU nicht voran.

Aber ausschließen wollen Sie das auch nicht?

Kraft: Ich bin gegen jede Ausschließeritis, aber für Rot-Grün.

Warum sagen Sie nicht klipp und klar, dass Sie auf keinen Fall mit der NRW-Linkspartei koalieren?

Kraft: Ich sage klipp und klar, dass ich diese Partei für nicht regierungs- und koalitionsfähig halte. Das sagt doch alles.

Das ist keine komplette Absage. Kann es sein, dass es die noch geben wird vor der Wahl?

Kraft: Das werden wir sehen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat einen Holperstart hingelegt. Warum kann die Bundes-SPD davon nicht profitieren?

Kraft: Vertrauen zurück zu gewinnen braucht Zeit, aber es geht langsam noch oben in den Umfragen. Wir sind dabei, uns in einigen Punkten programmatisch neu aufzustellen - zum Beispiel bei Hartz IV.

Sie haben sich mit Vorschlägen zur Aufweichung von Hartz IV in die Diskussion eingemischt. Ist das der Abschied von der Agenda Schröders?

Kraft: Nein, aber eine sinnvolle Weiterentwicklung. Wir setzen ein Stoppschild gegen den Weg in die Dumpinglohngesellschaft und unsichere Arbeitsverhältnisse. Und wir justieren da nach, wo es soziale Verwerfungen gegeben hat. Am Grundprinzip des "Förderns und Forderns" halten wir fest.

Als Rüttgers für eine Anhebung des Schonvermögens geworben hat, ist er von der SPD beschimpft worden. Nun fordern Sie eine komplette Abschaffung der Überprüfung der Vermögensverhältnisse. Wie passt das zusammen?

Kraft: Wir wollten das Schonvermögen schon in der Großen Koalition anheben, doch die CDU hat abgelehnt. Man muss aber festhalten, dass die Vermögensprüfung mit sehr viel Bürokratie verbunden ist und gerade mal unter ein Prozent der Hartz IV-Bezieher betroffen sind. Wir wollen die Ressourcen in den Arbeitsagenturen stattdessen zur Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt einsetzen.

Es gibt Forderungen aus der SPD nach einem generellen Tempo 30 in den Städten. Was sagen Sie dazu?

Kraft: Das ist eine Einzelmeinung. Wir haben das weder in der Partei noch in der Fraktion diskutiert. Ich halte ein generelles Tempo 30-Limit in Städten nicht für sinnvoll.

Wo sehen Sie die großen Unterschiede bei der NRW-Landtagswahl bei den Positionen von CDU und SPD?

Kraft: Wir haben den Mut, Strukturen zu verändern, um Nordrhein-Westfalen eine gute Zukunft zu sichern. Wir brauchen gleiche Bildungschancen für alle Kinder. Wir stärken den sozialen Zusammenhalt. Wir brauchen gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen und wir müssen NRW zu einer ökologischen Industriegesellschaft weiterentwickeln. Die CDU versucht sich dagegen durchzuwursteln, um an der Macht zu bleiben.

Was machen Sie am 10. Mai, am Tag nach der Wahl?

Kraft: Ich werde nach Berlin fahren, hoffentlich feiern und dann endlich einmal ausschlafen.