Steinbrück beim „Deutschlandfest“ der SPD

Der Kandidat stürzt sich beim „Deutschlandfest“ der SPD mit voller Kraft in den Wahlkampf.

Berlin. Peer Steinbrück ist ein perfekter Geschichtenerzähler. Er schneidet herrliche Grimassen, um der Episode aus dem populären Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ auch optisch Ausdruck zu verleihen. Und er holt bedeutungsvoll mit den Armen aus, als darin plötzlich Herr Tur Tur auftaucht. Jener Scheinriese, der immer kleiner wird, je näher er kommt, und den SPD-Chef Sigmar Gabriel einst mit Angela Merkel verglichen hatte.

Steinbrück genießt die Kulisse im „Lese-Zelt“ sichtlich. Sie passt perfekt ins Drehbuch dieses „Deutschlandfestes“ am Brandenburger Tor, das offiziell eine verspätete Feier zum 150. Parteigeburtstag ist, aber inoffiziell der Auftakt der heißen Wahlkampfphase. Zwei Millionen Euro lässt sich die Partei das Spektakel kosten. Ein Fest fürs ganze Volk, wie ja auch die SPD eine Volkspartei sein will, obwohl die schlechten Umfragewerte daran zweifeln lassen.

Aus allen Ecken der Republik sind Genossen und Sympathisanten angereist. Deshalb hat Steinbrück mit seiner groß angekündigten Rede ein Heimspiel. Neues verkündet er nicht. Die Melodie von mehr Zusammenhalt, Gerechtigkeit, Mindestlohn und Chancengleichheit intoniert die Partei schon seit Monaten.

Steinbrück bettet diese Schlagworte in eine Botschaft ein. Er wolle Kanzler werden, weil er „eine Vorstellung von diesem Land“ habe, was zweifellos gegen die Kanzlerin und ihren Wohlfühl-Wahlkampf zielt. Auf die zahlreichen Pannen in seinem Wahlkampf — Vortragshonorare, Weinpreise, Kanzlergehalt — geht er nicht ein. Steinbrück will nach vorn schauen.

Dafür haben ihm seine Berater einen auf Dialog betonten Werbefeldzug verordnet. Die Politik solle „vom Sockel“ geholt werden, heißt es in einer internen Anweisung. Ab Dienstag reist er bis zur Wahl quer durchs Land und diskutiert mit den Bürgern. So soll sich die SPD-Kampagne vom Merkel-Wahlkampf abheben, der auf Großveranstaltungen setzt. Und natürlich soll damit auch das Vorurteil ausgeräumt werden, dass Steinbrück ein unnahbarer Technokrat sei.

Im Lese-Zelt können die Zuhörer jedenfalls einen lockeren und zu Späßen aufgelegten Kandidaten erleben. Einen Menschen zum Anfassen. Am Ende gibt es sogar noch einen drauf, als sich unerwartet die Genossen Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier dazu gesellen, um mit Schatzmeisterin Barbara Hendricks das Märchen von den „Bremer Stadtmusikanten“ vorzutragen. „Klar war, der Hahn ist Peer“, witzelt Gabriel. „Ich war sehr dankbar, dass Frank den Esel übernommen hat“, foppt Steinbrück Steinmeier.

Nein, der Humor ist der in Wahrheit ziemlich zerstrittenen SPD-Spitze nicht abhanden gekommen. Und wenn es mit dem Sprung ins Kanzleramt nicht klappt, dann könnte Peer Steinbrück nach dem 22. September zumindest auf Lesereise gehen.