Strenge Regeln sollen Organspende beleben
Kommission legt umfassenden Bericht über Manipulationen vor. Vier Kliniken als schwarze Schafe ermittelt.
Berlin. Seit im vergangenen Jahr der Göttinger Transplantations-Skandal aufgedeckt wurde — und nach ihm weitere in anderen Kliniken — ist die Bereitschaft zur Organspende drastisch gesunken.
Wer will schon mit seinem Herzen oder seiner Leber dazu beitragen, dass sich Ärzte bereichern oder Vermögende bei der Organvergabe gegenüber Armen bevorzugt werden.
Doch ist es nicht ganz so, jedenfalls nicht mehr, wie am Mittwoch bei der Vorstellung eines umfassenden Prüfberichts deutlich wurde. Wie sicher also ist die Transplantationsmedizin? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Eine von Ärztekammer, Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen beauftragte Kommission hat das Geschehen bei den 2303 Lebertransplantationen in den Jahren 2010 und 2011 untersucht.
Alle 24 Zentren wurden unangemeldet aufgesucht, Akten gesichtet und Ärzte befragt. Die gute Nachricht: 20 Zentren hatten sich überhaupt keine oder nur minimale Regelverstöße geleistet. Massive, teilweise sogar systematische Unregelmäßigkeiten gab es hingegen neben Göttingen auch in Leipzig, München und Münster.
Diese schwarzen Schafe waren zum Teil schon bekannt, jetzt gibt es genaue Zahlen: Von 548 geprüften Fällen wurden hier bei 218 Patienten mehr oder weniger krasse Unregelmäßigkeiten festgestellt. Jeder Missbrauchsfall ist in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht dokumentiert, wobei Namen geschwärzt sind.
Meist wurden von den Ärzten gegenüber der Agentur „Eurotransplant“, die die Spenderlebern zuteilt, überhöhte Laborwerte oder fälschlicherweise eine Dialysenotwendigkeit mitgeteilt. So rutschten diese Fälle auf der Dringlichkeits-Warteliste nach oben.
Laut der Untersuchung nicht zur persönlichen Bereicherung. Selbst im Göttinger Fall, wo der betreffende Arzt derzeit vor Gericht steht, wird dieser Vorwurf nicht erhoben. Auch konnte die Kommission nicht feststellen, dass reiche Ausländer überproportional häufig behandelt wurden, wie oft gemunkelt wird. Als Motiv nehmen die Prüfer vielmehr Konkurrenzdruck an.
Laut dem Spitzenverband der Kassen gibt es einfach zu viele Transplantationszentren. Viele liegen unter der geforderten Mindestzahl jährlicher Operationen. Die Kassen fordern daher die Schließung einiger Standorte. Ein weiteres Motiv ist schlicht Ehrgeiz.
Nach den Skandalen hat es eine Reihe von Änderungen gegeben. So sind Manipulationen von jetzt an strafbar, unabhängig davon, ob jemand zu Schaden kommt oder nicht. Außerdem gilt ein Mehraugenprinzip bei der Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste und bei seiner weiteren Behandlung.
Neben der unabhängigen Prüfkommission gibt es auch noch eine Vertrauensstelle, bei der Ärzte oder Patienten Hinweise auf Unregelmäßigkeiten abgeben können, auch anonym. Zehn solcher Anzeigen gingen seit Mitte 2012 dort ein und wurden an die Staatsanwaltschaften oder an die Prüfer weitergeleitet. Deutschland habe jetzt die strengsten Regeln aller Staaten, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).