Regentschaft Tägliche Erlasse: Könnte Merkel den Trump machen?

Was die Kanzlerin vom neuen US-Präsidenten unterscheidet.

Trumps Regierungsweise - für Merkel undenkbar.

Foto: dpa

Berlin. Und täglich grüßt der Trump - jeden Tag ein neuer Erlass. US-Präsident Donald Trump gibt Vollgas. Auch im Kanzleramt staunte man in den letzten Tagen nicht schlecht, mit welchem Tempo und in welcher Tonlage der Neue im Weißen Haus handelt. Für deutsche Verhältnisse absolut ungewöhnlich. Angela Merkel könnte so nicht regieren.

Man stelle sich vor, die Kanzlerin würde fernsehgerecht Dekrete unterschreiben, und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und Regierungssprecher Steffen Seibert stünden applaudierend hinter ihr. Unmöglich. Diese Befugnisse hat Merkel anders als der US-Präsident überhaupt nicht. Denn während die USA ein Präsidialsystem haben, ist Deutschland eine parlamentarische Demokratie.

In Amerika ist der Präsident gleichzeitig Regierungschef und Staatsoberhaupt; in der Bundesrepublik steht der Bundestag im Mittelpunkt der Gesetzgebung. Er kontrolliert die Regierung, also auch die Bundeskanzlerin, die daher nicht einfach am Parlament vorbeiregieren kann. Sie braucht dort in jedem Fall eine Mehrheit.

Anders als der US-Präsident wird der Kanzler oder die Kanzlerin auch nicht direkt, sondern vom Bundestag gewählt. Selbst mit einer absoluten Mehrheit könnte Merkel nicht einfach "durchregieren". Gerade erst hat AfD-Politiker Björn Höcke in seiner Dresdner Rede gesagt, er werde dafür kämpfen, "bis wir in diesem Lande 51 Prozent erreicht haben". Das wäre in der Tat eine starke Position.

Allerdings gebe es selbst in einem solchen Fall noch Grenzen, die etwa die Verfassung setzt. Außerdem bräuchte man für alle Entscheidung die permanente Zustimmung der eigenen Leute. Und bei vielen Gesetzen die des Bundesrates. In Deutschland ist somit alles etwas komplizierter. Vielleicht wundern sich deshalb viele immer noch darüber, was gerade beim größten Verbündeten geschieht. Ein weiterer Unterschied liegt in der anderen politischen Kultur.

Darauf machte jüngst Außenamtssprecher Martin Schäfer in der Bundespressekonferenz aufmerksam. In den USA würde die Trump-Administration derzeit "viele Tausend Stellen neu besetzen", erläuterte Schäfer. Hierzulande gelte aber "das System der Kontinuität, auch wenn die Regierung wechselt". Ein neuer Kanzler, zum Beispiel Martin Schulz (SPD), könnte somit in Deutschland personell nicht alles auf den Kopf stellen. Was auch damit zu tun hat, dass er zwar die Richtlinien der Regierungspolitik verantwortet, aber jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung leitet - eben auch mit Blick auf das Personal.

Nun könnte mancher einwenden, Merkel habe doch in der Flüchtlingsfrage allein entschieden, als sie im September 2015 die Grenzen öffnete. Ganz so war es nicht. Aber der Vorwurf ist bei Merkel-Kritikern recht populär. Juristen streiten darüber. Einige wollen, dass das Verfassungsgericht klärt, ob die Kanzlerin mit ihrer Politik "den Rahmen der Gesetze verlassen" und das Parlament missachtet hat.

Dem widerspricht etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU): "Seit der Zunahme der Flüchtlingsströme hat kein anderes Thema das Parlament häufiger und intensiver beschäftigt." Merkel selbst beruft sich unter anderem auf Artikel 1 des Grundgesetzes: Der Grundsatz der Menschenwürde gelte für jedermann.

Die Kanzlerin und der neue US-Präsident unterscheiden sich aber auch noch in zwei wichtigen Wesensmerkmalen: Während Trump auch über Twitter regiert, twittert Merkel gar nicht. Das überlässt sie ihrem Regierungssprecher, der darum bemüht ist, möglichst nicht zu provozieren. Außerdem pflegt die Kanzlerin keinen krawallartigen Ton - anders als ihre Gegenspieler Putin, Erdogan und Trump. Ein Vorteil? Zumindest hat ihr auch das den Ruf der Verlässlichen eingebracht.