Wahlkampf: London - Bringt eine Großmutter Brown zu Fall?
Briten empört über verbalen Ausfall des Premiers.
London. Gillian Duffy hat ihr ganzes Leben die Labour-Partei gewählt. Als sie am Mittwoch zum Lebensmittelhändler läuft, ahnt sie nicht, dass der Premier auf seiner Wahlkampftour in ihrem Örtchen Rochdale angehalten hat. Mr. Brown sucht - medienwirksam - den Kontakt zum Wähler, Mrs. Duffy wittert die Chance, dem mächtigsten Mann im Land ihre Sorgen anzutragen.
Die 65-Jährige löchert den Premier ein bisschen, der erkundigt sich nach ihrer Familie und verabschiedet sich liebenswürdig: "Es war mir eine Freude, mit Ihnen zu plaudern."
Sekunden später fällt Browns zäher Stimmenfang aber in sich zusammen. "Das war ein Desaster", motzt er seinen Assistenten im Auto an, "wer von Euch hat diese Frau an mich herangelassen? So eine bigotte Person." Das Mikrofon am Revers, das ihm Fernsehreporter auf eigenen Wunsch angeheftet hatten, hat Brown völlig vergessen.
Sender verbreiten Browns Lästereien in Windeseile. Reumütig entschuldigt er sich. "Manchmal sagt man Dinge, die man nicht so meint, Sachen, die man schnell wieder gutmachen will." Doch der Fauxpas hat einen Sturm ausgelöst. Den Gegenwind wird er noch am Wahltag 6. Mai spüren.
Donnerstag, am Morgen vor der letzten TV-Debatte, war das Thema auf allen Titeln. Duffy hatte nachgebohrt: Wie der Regierungschef die Staatsschulden senken will, wie ihre Enkel Geld für Studiengebühren auftreiben sollen - zentrale politische Fragen.
Für die Regierungspartei, die in Umfragen nicht über 30 Prozent kommt, bedeutet das Ungeschick einen politischen Gau. "Heute ist klar geworden, dass Gordon Brown zwei Gesichter hat", meint ein Moderator. "Wir finden, dass der Vorfall für sich spricht", heißt es aus dem Tory-Lager. Schlimmer wiegt jedoch, dass Brown jene vor den Kopf stößt, deren Stimmen er braucht: loyale, einfache Leute, langjährige Labour-Anhänger so wie Duffy.