Terrorverdächtiger: „Kindersoldat“ von Guantanamo wird zum Testfall für Barack Obama

Im Alter von 15 Jahren kam Omar Khadr in das Gefangenenlager, jetzt soll er vor ein US-Militärgericht gestellt werden.

Washington. Sein sanftes Jungengesicht ist längst verschwunden. Er ist inzwischen 23, und fast ein Drittel seine Lebens hat er in Guantanamo Bay verbracht: Er ist Omar Khadr, der "Kindersoldat".

15 Jahre war er alt, als ihn das US-Militär 2002 in Afghanistan gefangen nahm, und er gilt als der Jüngste, der jemals in das Lager auf Kuba gebracht wurde. Inzwischen ist der gebürtige Kanadier auch der einzige Gefangene aus einem westlichen Land, der noch dort festgehalten wird. Und jetzt erlangt er zusätzliche Berühmtheit: Er wird zu einer Art Testfall für US-Präsident Barack Obama.

Khadr soll Ende Juli der Prozess gemacht werden - vor einer der Militärkommissionen, die Obamas Vorgänger George W. Bush eigens zur Aburteilung von Terrorverdächtigen ins Leben rief.

Es wäre das erste Sondergerichtsverfahren gegen einen Guantanamo-Gefangenen seit Obamas Amtsantritt Anfang 2009. Aber schon jetzt ist der Fall zum Spektakel geworden: In einer zweiwöchigen Anhörung soll geklärt werden, ob die Anklage Geständnisse des Häftlings als Beweise einbringen darf.

Die Verteidigung sagt nein. Sie argumentiert, dass Khadr gefoltert worden sei und aus purer Angst nie begangene Verbrechen zugegeben hat - allen voran die Tötung eines US-Soldaten mit einer Handgranate. "Ihm wurde die Luft bis zur Ohnmacht abgeschnitten, dann wurde er zu Bewusstsein gebracht und dann wieder beinahe erstickt. Er wurde durch bellende Hunde terrorisiert, während eine Plastiktüte fest um seinen Kopf gebunden war", sagt die Verteidigung.

Das Pentagon hat Dutzende Medienvertreter aus aller Welt nach Guantanamo eingeflogen. Warum der Wirbel? Was hat Obama mit diesem Fall zu tun? Vieles.

Als Präsidentschaftswahlkämpfer gehörte Obama zu den lautstarken Kritikern der Militärkommissionen. Denn bei diesen Sonderprozeduren wurden Angeklagten weniger Rechte eingeräumt als vor zivilen Straf- oder auch Militärgerichten. So war es auch nur konsequent, dass Obama anhängige Verfahren nach seiner Amtsübernahme aussetzen ließ.

Kritiker des US-Umgangs mit Terrorverdächtigen applaudierten. Zu früh. Nicht nur, dass das Lager trotz Obamas erklärter Schließungsabsicht weiterhin besteht: Der Präsident entschloss sich angesichts politischer Widerstände auch, an den Militärkommissionen festzuhalten - wenn auch mit mehr Rechten für die Angeklagten.

Die wichtigste neue Regel: Geständnisse, die durch "grausame, inhumane oder erniedrigende Verhörmethoden" zustande kamen, sollen künftig nicht als Belastungsmaterial in Prozessen zulässig sein. Aber "andere Erklärungen des Angeklagten" können als Beweise eingebracht werden, wenn ein Richter zu dem Schluss kommt, dass die Angaben freiwillig erfolgten.

Nun wird mit Spannung erwartet, wie der Richter im Fall Khadr urteilt - die erste Entscheidung darüber, was unter "grausamen und inhumanen Praktiken" zu verstehen ist, der erste Hinweis darauf, ob Obamas "Reform" in der Praxis eine Abkehr von den Bush-Regeln bedeutet.