Warum 2009 gar nicht so schlimm wird wie befürchtet

Auch Deutschland kann der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht entgehen. Trotzdem sind unsere Gläser eher halb voll als halb leer. Die Gründe:

<h3>Die deutsche Wirtschaft ist innovativer und krisenfester

Anders als in Frankreich, Großbritannien oder gar in den USA hat die nach dem Zusammenbruch des spekulativen Finanzsystems wiederentdeckte Realwirtschaft in Deutschland ein viel größeres Gewicht. Im Maschinen- und Anlagenbau, bei Umwelttechnologien oder in der jetzt viel gescholtenen Automobilindustrie war "Made in Germany" schon vor der Krise weltweit führend.

Forschung und Innovation hatten und haben ein hohes Niveau, und die deutschen Unternehmen haben angekündigt, trotz der Krise ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung nicht herunterzufahren, sondern sogar noch auszuweiten.

Am Arbeitsmarkt sind 2009 schlechte Nachrichten unvermeidlich. Nach dem stärksten Job-Boom seit Jahrzehnten werden die Arbeitslosenzahlen von zurzeit rund drei Millionen aber sicher nicht wieder auf die Rekordmarke von fünf Millionen wie im Jahr 2005 heraufschnellen.

Angesichts des Facharbeitermangels der vergangenen Jahre werden die Regierung und die Tarifparteien zudem alles dafür tun, möglichst viele qualifizierte Arbeitnehmer in den Betrieben zu halten. Die Möglichkeiten zur Kurzarbeit werden dafür noch einmal ausgebaut. Zugleich kann die Bundesanstalt für Arbeit ihre Rücklagen in Höhe von zehn Milliarden Euro für Qualifizierungsmaßnahmen in den Betrieben nutzen.

Das Krisenjahr 2009 darf auch nicht den Blick darauf verstellen, dass Deutschland wie kaum ein anderes Land gerüstet ist, den Aufschwung nach dem Ende der Krise wieder für sich zu nutzen. Die deutsche Industrie ist aus den bisherigen Anpassungsprozessen der Globalisierung gestärkt hervorgegangen. Die unbeliebten Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder werden zudem dazu beitragen, dass die neu entstehende Arbeitslosigkeit im nächsten Aufschwung schneller als in der Vergangenheit abgebaut wird.

Während viele Staaten wie Ungarn, Italien oder Griechenland ihre Haushalte in den vergangenen Jahren höher verschuldeten, nutzte Deutschland den Aufschwung zur Konsolidierung. In den ersten drei Quartalen des zu Ende gehenden Jahres sank das Defizit in den öffentlichen Haushalten der Bundesrepublik deutlich. Dadurch ist jetzt der Spielraum größer, kreditfinanzierte Konjunkturprogramme aufzulegen, ohne die Euro-Stabilitätsgrenzen einzureißen. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy kann da nur voller Neid nach Berlin blicken. Dass er kurz nach seiner Wahl im Frühjahr Milliarden-Geschenke an Wohlhabende verteilte, schränkt seine Möglichkeiten ein.

Das vielgescholtene Umlagesystem in der deutschen Rentenversicherung erweist sich im internationalen Vergleich nicht nur als krisensicher. Die Rentner könnten sich 2009 sogar als Konjunkturmotor erweisen. Rentenexperten erwarten eine Rentensteigerung von 2,75 Prozent. Diese würde auch für Hartz-IV-Empfänger gelten.

Außerdem hat die Finanz- und Wirtschaftskrise unsere Altersvorsorge - anders als in den Vereinigten Staaten - kaum beeinträchtigt. Die US-Pensionskassen, die sich hauptsächlich am freien Kapitalmarkt bewegen, mussten in den vergangenen 15 Monaten dramatische Verluste von mehr als zwei Billionen Dollar hinnehmen. Das entspricht einem Wertverlust von 20Prozent. Viele Ältere müssen sich in den USA wieder Jobs suchen, um sich über Wasser halten zu können.

Die Deutschen sind nicht nur Exportweltmeister, sie zählen auch zur Spitzengruppe bei den Sparern. Die Sparquote liegt derzeit bei gut elf Prozent vom verfügbaren Einkommen. Die deutschen Verbraucher sind damit das krasse Gegenteil der Amerikaner, die bislang ausschließlich auf Pump gelebt haben. Was bisher den Konsum in Deutschland eher gebremst hat, könnte nun zu einer Stütze werden. Die Deutschen haben sich nämlich ein beachtliches Polster zusammengespart: gut vier Billionen Euro. Wenn sie sich jetzt auch noch öfter etwas gönnen und in den Sparstrumpf greifen.

Das öffentlich-rechtliche Bankensystem in Deutschland erweist sich als Stabilitätsanker. Da die Sparkassen ihr Geld überwiegend aus den Einlagen ihrer Sparer beziehen, kann ihnen die Finanzkrise nicht so viel anhaben.

Vor allem für den Mittelstand sind die Sparkassen und auch die Volksbanken derzeit ein Segen. Diese vergeben noch immer Firmen- und Baukredite, während die meisten Banken den Geldhahn längst zugedreht haben. Deren Investmentbanker drehen ohnehin lieber das ganz große Rad auf den internationalen Märkten, während die Sparkassen-Mitarbeiter jene seriösen "Bankiers" sind, die sich Bundespräsident Horst Köhler neulich zurückwünschte.

Die Angst ist groß, dass wir mit den Konjunkturpaketen nachfolgende Generationen belasten. Doch das gepumpte Geld wird nicht planlos zum Fenster hinausgeworfen. Milliarden Euro sollen in den Ausbau der Infrastruktur, in Schulen und Universitäten fließen. Das Geld ist gut angelegt: So gibt es kaum ein Schulgebäude, das nicht sanierungsbedürftig ist. Viele Physik- und Chemieräume zum Beispiel sind noch auf dem Stand der 1960er Jahre.

Die günstigen Sprit- und Brennstoffkosten wirken derzeit wie ein zusätzliches kleines Konjunkturprogramm. So hatten die Kunden allein schon im diesjährigen Weihnachtsgeschäft nach Schätzungen der Postbank eine Milliarde Euro mehr in der Tasche als noch im Jahr zuvor. Und auch 2009 könnte der billige Ölpreis den Konsum weiter stützen. So ist bei konstanten Spritpreisen mit einer Entlastung der Verbraucher um neun Milliarden Euro zu rechnen. Die Chancen für eine Stabilisierung der Ölpreise auf einem niedrigen Niveau stehen dabei nicht schlecht.

Der Ruf nach neuen, weltweit anzuwendenden Regeln für die Finanzmärkte ist lauter geworden - und das ist gut so. Denn ein immer komplexeres Finanzsystem erfordert international koordinierende Instanzen. Der Widerstand vor allem von Briten und Amerikanern, die Märkte stärker zu regulieren, schwindet. Aus dem exklusiven G8-Club dürfte langfristig eine G20 werden.