Die deutsche Konjunktur-Baustelle
Wie soll der Staat investieren, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen? Der Streit darüber gewinnt an Dynamik.
Berlin. Kurz vor dem Jahreswechsel hat die Diskussion über notwendige Schritte gegen die Wirtschaftskrise eine neue Dynamik bekommen. CSU-Chef Horst Seehofer drohte mit einem Veto gegen das geplante neue Konjunkturpaket, sollte das Konzept der Großen Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keine "spürbare Steuerentlastung" enthalten. Seehofer warf Merkel indirekt Unglaubwürdigkeit vor. Wenn Steuersenkungen bis nach der Bundestagswahl im kommenden Herbst verschoben würden, "haben wir als Union keine Gestaltungskraft, sondern ein Glaubwürdigkeitsproblem", sagte der CSU-Vorsitzende.
Auch Bundespräsident Horst Köhler regte Entlastungen für die Arbeitnehmer an. Es müssten "all jene motiviert werden, die sich an die Gesetze halten und ihre Steuern zahlen". Köhler sprach sich dafür aus, den privaten Konsum zu stärken, um so die Binnenkonjunktur anzukurbeln.
Bislang wird erwartet, dass die Regierung mit einem zweiten Konjunkturpaket vor allem Investitionen in Infrastruktur, Schulen, Hochschulen und Zukunftstechnologien auf den Weg bringt. Bereits am 5.Januar kommt es zu einem Spitzentreffen der Koalition im Kanzleramt.
Dabei könnte auch ein Vorstoß von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier eine Rolle spielen. Der Vizekanzler forderte staatliche Hilfen für die Autoindustrie wie eine "Abwrack- oder Umweltprämie" und eine veränderte, nach CO2-Ausstoß gestaffelte Kfz-Steuer. Steinmeier kündigte außerdem an, für Anfang Januar zu einem Gespräch über die "Auswüchse des Kapitalismus" mit Bischöfen und führenden Managern einzuladen.
Kanzlerin Merkel wird aus den eigenen Reihen vorgeworfen, sie betreibe eine "wachsende Sozialdemokratisierung der Union".
Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Josef Schlarmann, attestierte Merkel grundlegende Fehler bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise. Die geplanten Infrastrukturausgaben für das zweite Konjunkturpaket seien allesamt kreditfinanziert und könnten nur mit höheren Steuern bezahlt werden. Damit werde "das Steuersenkungsversprechen der Union für den Wahlkampf 2009 hinfällig". Notwendig seien stattdessen schnelle Steuersenkungen, sagte Schlarmann. Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) forderte eine Steuerreform, die auf kleine und mittlere Einkommen zielt.
Dagegen lehnte DGB-Chef Michael Sommer niedrigere Steuern zur Konjunkturbelebung kategorisch ab. Der Staat dürfe nicht durch Steuersenkungen geschwächt werden, wenn er mit großen Investitionsprogrammen die Wirtschaft stützen müsse, sagte Sommer.