Bei Kündigungen muss der Chef Stärke zeigen

Usingen/Wiesbaden (dpa/tmn) - Wenn eine Firma Leute rausschmeißt, geht es ums Ganze - für die Entlassenen, für die Kollegen und auch für den Chef. Führungsstärke ist dann wichtiger denn je. Denn wenn der Chef jetzt Fehler macht, geht womöglich das ganze Team in die Brüche.

George Clooney hat im Film „Up in the air“ einen der ungeliebtesten Jobs, die man sich vorstellen kann: Profi-Rausschmeißer. Wo Chefs der Mut fehlt, ihren Angestellten selbst zu kündigen, kommt Clooney zum Einsatz. Natürlich ist das Hollywood. Aber auch im richtigen Leben würden sich viele Vorgesetzte am liebsten verkriechen, wenn sie Mitarbeiter vor die Tür setzen müssen. Dabei sollten sie gerade in solchen Situationen Führungsstärke zeigen, mahnen Experten.

Ein Chef, der bei der Trennung von einem Mitarbeiter die Personalabteilung vorschickt, stehle sich aus der Verantwortung, sagt Hermann Refisch von der Beratungsgesellschaft management1x1 in Usingen im Taunus. Auch bei den verbleibenden Mitarbeitern erleide er einen großen Image-Schaden. „Die Mitarbeiter beobachten sehr, sehr genau, wie die Vorgesetzten mit den entlassenen Kollegen umgehen.“

Kündigungen richtig rüberzubringen, sei deshalb eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte, sagt der Management-Coach Roland Jäger aus Wiesbaden. Er rät Führungskräften, einen Fahrplan für das Gespräch zu entwerfen und die Situation mit Kollegen aus der Personalabteilung zu üben. „Auf jeden Fall sollten Sie dem Mitarbeiter in dem Gespräch so schnell wie möglich reinen Wein einschenken“, sagt der Coach. Smalltalk zum Einstieg sei völlig fehl am Platz.

Entscheidend sei, dass die Botschaft ankommt, betont Refisch. Es gebe erstaunlich viele Gespräche, bei denen der Mitarbeiter nachher gar nicht verstanden hat, dass er jetzt seinen Job los ist. „Versuchen Sie auch nicht, der Gute zu sein oder sozial-gesäuselte Fragen zu stellen.“ Sätze wie „Ich verstehe, dass Sie sich jetzt schlecht fühlen“ kämen bei den meisten an wie blanker Hohn.

Wenn die Kündigung ausgesprochen ist, empfiehlt Refisch eine Pause: „Lassen Sie Ihrem Mitarbeiter ein bisschen Raum.“ Manche reagierten regelrecht aggressiv. „Denen muss man dann auch die Chance geben, ihre Wut rauszulassen. Wichtig sei aber auch, dass der Vorgesetzte auf Rückfragen vorbereitet ist. „Viele fragen: "Warum ich? Warum nicht der Schulz?"“, sagt Refisch. „Oder sie schimpfen: "Ich soll jetzt also für die Fehler des Managements bluten?"“ Wenn der Vorgesetzte dann unsicher reagiert, verderbe er das Gespräch.

Die nächste Herausforderung ist dann, das verbleibende Team aufzufangen. „Bei denen ist natürlich in den Köpfen die Frage drin: "Bin ich als Nächster dran?" Da kann man die Loyalität von Mitarbeitern völlig in die Grütze fahren“, warnt Jäger.

„Auf keinen Fall sollte man sich dann knallhart geben nach dem Motto: Ich bin hier der Boss, und das tangiert mich alles nicht“, sagt Alexander Cisik, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Wichtig sei, mit den gekündigten Mitarbeitern fair umzugehen. „Wenn die aus dem Gespräch rauskommen und allen erzählen, wie übel man ihnen mitgespielt hat, dann geht auch bei den anderen Kollegen die Angst um.“

Der größte Fehler wäre, wenn der Chef nach einer Kündigungswelle wochenlang zu Meetings in Übersee verschwinden würde, mahnt Refisch. „Dann verlieren seine Mitarbeiter endgültig Mut, Motivation und Achtung. In Zeiten stürmischer See muss der Kapitän auf der Brücke sein, sichtbar für alle - und ansprechbar.“

Literatur:

Andrzejewski, Laurenz: Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung: Kündigungen fair und nachhaltig gestalten. Luchterhand-Verlag. 368 Seiten. ISBN-13: 978-3-472-07291-1