Currywurst statt Aktien-Deals: Ex-Broker betreibt Imbissbude
Frankfurt/Main (dpa) - Vor fünf Jahren stürzte er als Manager eines US-Aktienhändlers ab, mit der eigenen Imbissbude fing er neu an: Vieles hat sich im Leben von Thomas Brauße verändert. Doch seine Entscheidung bereut er bis heute nicht.
Die Schlange im Vorraum der Imbissbude ist gut zehn Meter lang. Geschäftsleute stehen neben Bauarbeitern und warten, bis sie an der Reihe sind. Hinter der Theke nimmt Thomas Brauße die Bestellungen auf und kassiert ab. Der Schweiß perlt ihm über die Glatze, am Grill ist es heiß wie in einer Sauna. Seit fünf Jahren betreibt der 48-Jährige erfolgreich seine Imbissbude mit dem Namen „Frankfurter Worscht Börse“, die direkt am Messeturm steht. In dem bekannten Wolkenkratzer hat der frühere Manager einmal gearbeitet.
Als Leiter der Wertpapierabwicklung einer Handelsplattform wickelte er Aktien-Deals in Millionenhöhe ab. Im Dezember 2008 war dann Schluss für die Frankfurter Niederlassung, Brauße wurde arbeitslos.
Nach der Kündigung fiel er in ein tiefes Loch und hatte mit Existenzängsten zu kämpfen. „Ich habe immer auf einem guten Niveau Geld verdient, da ist es nicht so leicht, mit einem anderen Job dieselbe Summe 'rauszuschlagen. Mir war klar, dass da Veränderungen auf mich zukommen werden“, erzählt der zweifache Vater. Angebote aus der Bankbranche habe er nach der Kündigung bekommen, aber abgelehnt, weil das Gehalt nicht stimmte.
Doch Brauße ließ sich nicht einschüchtern. Den Traum von einer eigenen Imbissbude hatte er schon länger. Drei Monate vergingen nach der Kündigung, bis er endlich seine Geschäftsidee in Angriff nehmen konnte. Im Internet ersteigerte er einen ausrangierten Linienbus und baute ihn um. Ein Freund aus der Gastronomie gab ihm Tipps.
An seinem neuen Beruf gefällt dem Würstchengriller besonders der Kundenkontakt. Den habe er zwar auch schon vorher als Banker gehabt, aber hauptsächlich am Telefon und zu 80 Prozent in Englisch. „Das hier ist realer. Hier schickst du nicht irgendwelche Aktien im Buchwert 'rüber als Depottransfer, sondern gibst eben die Currywurst raus und kriegst Bargeld rein - auch eine Art Lieferung gegen Zahlung. Das ist befriedigender und macht mir einfach mehr Spaß.“
Banker wollte er eigentlich gar nicht werden. Eher Handballprofi. Stattdessen folgte er dem Wunsch seiner Mutter und machte eine Lehre bei der Kreissparkasse im Main-Taunus-Kreis.
Derart ungewöhnliche berufliche Lebenswege wie der von Brauße haben nach Erfahrung von Diplompsychologin Brigitte Scheidt, einer Expertin für berufliche Um- und Neuorientierung, unterschiedliche Ursachen. „Ein Grund ist, dass Menschen in die Situation geraten, dass ihr alter Weg nicht mehr weitergeht. Sie werden entlassen, die Firma macht zu oder man wird nicht mehr gebraucht.“
Außerdem würden vor allem Menschen mit guter Ausbildung, denen der Beruf wichtig sei, sich nach einigen Jahren im Job bei aufkommender Unzufriedenheit die Frage stellen: „Gibt es nicht noch etwas anderes?“ Oder feststellen: „Das kann doch nicht schon alles gewesen sein!“ Vielfach stellten sich Betroffene diese Fragen, wenn sie Ende 30 sind. „Viele wählen auch einfach den falschen Beruf“, führt Scheidt fort. Auch dafür gibt es nach ihrer Beobachtung verschiedene Gründe: aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus, weil das Unternehmen des Vaters weitergeführt werden muss oder ganz einfach deswegen, weil die Eltern oder andere dazu geraten haben.
„Der Wunsch, noch einmal eine Neubestimmung vorzunehmen, ist nach einigen Jahren im Berufsleben weit verbreitet. Doch viele Menschen haben auch Angst vor Veränderungen und trauen sich deswegen eine berufliche Neuorientierung nicht immer zu“, sagt Karriereberaterin Scheidt.
Brauße hat sich getraut - und er bereut diese Entscheidung bis heute nicht. „Ich bin richtig zufrieden und habe eher noch an Lebensqualität dazugewonnen“, sagt er mit einem Grinse. Freilich bedeutet das auch weniger Gehalt und Urlaubstage. Für die Zukunft hat der Imbissbudenbesitzer große Pläne: Er will expandieren und eine weitere Filiale in Frankfurt und sogar eine Niederlassung in London eröffnen: „Wenn man als Deutscher da drüben Currywurst verkaufen will, kriegt man die sofort aus der Hand gerissen.“