Singapur wirbt mit internationalen Unis als Talentschmiede
Singapur (dpa) - Die heimischen Studenten den Duft der großen weiten Welt schnuppern lassen - Singapur holt sich dafür die besten Unis ins eigene Land. Nicht nur Singapurer profitieren davon - auch Deutsche.
„München“ und „Garching“ heißen die Seminarräume an der TUM Asia-Universität in Singapur, „Grüß Gott“ hört man auf dem Flur. Studenten aus aller Welt bekommen in der schwülen Hitze am Äquator bayerisches Know-how: TUM steht für Technische Universität München. Die Elite-Uni feiert zehnjähriges Bestehen ihres Campus in Singapur.
Für das winzige Land ist Internationalität ein Muss. Es gibt fast ein Dutzend Uni-Ableger aus aller Welt mit eigenem Campus, plus nochmal so viele Kooperationen, die Studenten Doppelabschlüsse von einer Singapurer und einer ausländischen Uni erlauben. Vertreten sind neben der TUM prestigeträchtige Wirtschaftshochschulen wie ESSEC und INSEAD und aus den USA das Massachusetts Institute of Technology (MIT), die Stanford- und die Duke-Universität. ESSEC bietet demnächst eine Asienversion seiner mit der Uni Mannheim entwickelten Managerweiterbildung EMBA an.
Singapur will heimischen Studenten zu Hause einen Blick über den Tellerrand ermöglichen und gleichzeitig die besten Studenten aus der asiatischen Region locken. „Wir sehen mit dem Aufstieg Asiens einen regelrechten Krieg um vielversprechende junge Leute in Asien - es gibt einen Mangel an Führungskräften im mittleren Management“, sagt Alvin Tan, Vize-Geschäftsführer der Behörde für Investitionsförderung EDB. „Westliche Unternehmen können ihre Kunden in Asien nicht mehr aus der Ferne bedienen, sie brauchen Manager, die die Märkte vor Ort kennen.“ Mit den frisch gebackenen Spezialisten empfiehlt Singapur sich als Industrie- und Investitionsstandort.
Die EDB wirbt gezielt Unis mit Expertise für Schlüsselbereiche der singapurischen Industrie an: etwa die Universität Newcastle, die Ingenieure für die Offshore-Industrie ausbildet. Die Münchner bieten unter anderem Master-Kurse in Mikroelektronik, industrieller Chemie und Transport und Mobilität an. „Unser Ziel ist es, gut ausgebildete Mitarbeiter für die deutsche Industrie in der Region auszubilden“, sagt TUM Asia-Direktor Markus Wächter. Jeder zweite Absolvent arbeite später für deutsche Firmen. „Wir haben eine Brückenfunktion: wir nehmen asiatischen Studenten die Angst vor dem fremden Deutschland und ziehen die besten Talente an. 20 Prozent unserer Absolventen machen einen Doktor, 90 Prozent davon in Deutschland.“
Westliches Know-how im asiatischen Ambiente - das zieht längst auch europäische Studenten an. Im TUM-Masterstudiengang Transport und Mobilität sitzen neben Chinesen und Indern auch Studenten aus Kolumbien, Ghana, Dänemark, Lettland und Deutschland. Katharina Kläser (24) aus Herne ist nach dem BWL-Studium in Münster an die TUM Asia gekommen. „Man hat die deutsche Uni-Kultur hier, aber lernt auch Asien kennen“, sagt sie. Sie könnte sich gut vorstellen, später in Asien zu arbeiten. „Deutsche und asiatische Erfahrungen zusammen sind auf dem Jobmarkt ein Riesenvorteil“, sagt Torsten Nielsen (26) aus Dänemark. Der Inder Tamilsevan Eswaramoorthy schwärmt, dass anders als Zuhause hier Fallbeispiele aus aller Welt erörtert werden.
Auch die deutsche Uni profitiere vom Einsatz ihrer Professoren im Ausland, sagt Wächter. „Anders als in Deutschland umlagern die Studenten den Professor hier regelrecht nach der Vorlesung. Wer 20 000 Euro zahlt, hat eine andere Erwartungshaltung als in Deutschland - die Herausforderung macht auch die Professoren besser.“
Nächstes Jahr öffnet die liberale amerikanische Yale-Universität ein gemeinsames College mit der heimischen National University (NUS) in Singapur. Sie bietet Literatur-, Philosophie und Politik-Kurse an. Die Kooperation hat auf dem heimischen Campus in New Haven für Unmut gesorgt. Wie Yale sich in einem Land ansiedeln könne, das Straßenproteste und politische Studentengruppen verbietet, wird dort gefragt. „Das Yale-NUS-College wird die Prinzipien der akademischen Freiheit aufrechterhalten“, teilt das Erziehungsministerium mit. „Alle Studenten und Dozenten können frei recherchieren, lehren und sich äußern (...) - aber im Rahmen der Singapurer Gesetze.“
Singapur wird seit der Unabhängigkeit vor fast 50 Jahren von der Partei von Staatsgründer Lee Kuan Yew autokratisch regiert. Sie gängelt die Gesellschaft, um die Rassenharmonie nicht zu gefährden, wie es heißt. Dreiviertel der rund fünf Millionen Einwohner sind chinesischstämmig, 13 Prozent haben Vorfahren aus Malaysia und 9 Prozent aus Indien.