Große Tour: Verreisen mit der Kindergartengruppe

München (dpa/tmn) - Den Rucksack gepackt und los: Schon im Kindergarten werden Reisen unternommen. Viele Eltern sehen solche Fahrten skeptisch. Mit Vertrauen in die Erzieher und stärkenden Eltern im Rücken, können kleine Kinder aber von der Trennung auf Zeit profitieren.

Sie sieht so verloren aus, denkt die Mutter mit einem Kloß im Hals, als sich Alina noch einmal umdreht und Mama zuwinkt. Die Vierjährige wird für drei Tage allein unterwegs mit ihren Kameraden aus dem Kindergarten und den Erziehern sein. „Ist das nicht viel zu früh in diesem Alter?“, fragen sich zweifelnd manche Eltern. In Abwägung der individuellen Voraussetzungen, bei genügend Personal und einem vertrauensvollen Verhältnis zu den Betreuern kann eine Kindergartenreise für alle eine tolle Erfahrung sein, sagen Experten.

„Ob und wann ein Kind in der Lage ist, ein paar Tage mit seiner Kindergartengruppe zu verreisen, lässt sich nicht an einem bestimmten Alter festmachen“, sagt Renate Niesel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Für Luci Schulze, Erzieherin in einem Hamburger Kinderladen, ist eine gute Voraussetzung gegeben, wenn sich das Kind im Kindergarten eingewöhnt hat und dort auch seinen Mittagsschlaf hält. Generell abraten würden beide von einer Reise, wenn Kinder gesundheitlich angeschlagen sind oder gerade eine Trennungssituation in der Familie erleben.

Für Psychologin Niesel spielt das Verhältnis zwischen Kindern und Erziehern für das Gelingen einer solchen Reise eine entscheidende Rolle. Wichtig sei, dass die Bezugsperson, die mitfährt, für die Kinder eine Vertrauensperson ist. Auch die Gruppengröße und den Betreuungsschlüssel hält sie für wesentlich.

Der Ort der Reise sollte so gewählt sein, dass Eltern ihre Kinder im Bedarfsfall in kurzer Zeit abholen können, rät die Entwicklungspsychologin Hellgard Rauh aus Potsdam. Auf jeden Fall sollten die Kinder auf der Reise nicht zum ersten Mal in einer anderen Umgebung übernachten. „So etwas muss geübt sein“, sagt die ehemalige Universitätsprofessorin. Kinder können das Außer-Haus-Schlafen trainieren - bei Oma und Opa etwa oder bei einem Freund oder einer Freundin.

Für Mütter und Väter ist es wichtig, im Vorfeld einer Reise ihre Gefühle und möglichen Befürchtungen auf einem Elternabend oder in Gesprächen mit den Erziehern äußern zu können. „Für die Eltern ist die Trennung eine intensive Erfahrung“, sagt Renate Niesel. Allerdings, so die Psychologin, ist es nicht förderlich, wenn Eltern ihren Kindern den Trennungsschmerz zeigen. Hilfreicher sei es, den Sprösslingen mit auf den Weg zu geben: „Ich freue mich schon darauf, was du alles erleben und mir hinterher erzählen wirst.“

Auf keinen Fall sollten sich Eltern unter Leistungsdruck gesetzt fühlen, ihr Kind mit auf eine Reise zu schicken. „So ein Angebot sollte als Angebot wahrgenommen werden und nicht als Erziehungsziel unter dem Motto 'Mein Kind muss das jetzt können'“, findet Hellgard Rauh. Sie rät Eltern und Erziehern verständnisvoll darauf zu reagieren und das Kind keinesfalls zu überreden: „Man muss dem Kind Angst vor der eigenen Courage zugestehen, und zwar ohne, dass es sich schämen braucht.“

Luci Schulze, die seit vielen Jahren mit Kindergartenkindern verreist, hat im Gegenzug aber auch immer wieder erlebt, dass Eltern ihren Kindern zu wenig zutrauen. „Kinder sind oft viel stabiler als ihre Eltern denken“, beobachtet sie. Letztlich müssten die Eltern das entsprechende Vertrauen in ihre Kinder und in die Erzieher haben und einen Sinn in der Reise sehen.