Schnelles Handeln gefragt Wenn Eltern zum Pflegefall werden: Schritte für Angehörige

Bonn/Duisburg · Es passiert oft von jetzt auf gleich: Eltern werden zu einem Pflegefall. Meist müssen die erwachsenen Kinder dann schnell handeln. Welche Schritte in so einer Akutsituation ganz praktisch anstehen.

Dass Eltern nicht mehr selbst klarkommen, sondern zum Pflegefall werden, passiert oft von jetzt auf gleich.

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Eine Krankheit, ein schwerer Sturz - so etwas kann das Leben grundlegend verändern und Betroffene zu einem Pflegefall machen. In einer solchen Situation sind ältere Menschen, gerade wenn sie nach dem Tod des Partners oder der Partnerin allein leben, meist auf die Hilfe der erwachsenen Kinder angewiesen.

Pflegeversicherung und Pflegegrad klären

Die Angehörigen haben häufig ad hoc einiges zu organisieren. „Zunächst geht es darum abzuklären, welche Leistungen aus der Pflegeversicherung der betroffenen Person, beispielsweise einem Elternteil, zustehen“, sagt Ulrike Kempchen von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA-Pflegeschutzbund).

Hilfe bei den einfachsten Dingen: Wenn alte Menschen zum Pflegefall werden, ist es wichtig zu wissen, wer sich kümmert.

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Dafür ruft man bei der zuständigen Krankenkasse an. Bei einer gesetzlichen Krankenkasse ist die Pflegekasse gleich angegliedert. Im nächsten Schritt beantragt man für die jeweilige Person gegebenenfalls einen Pflegegrad oder - falls dieser schon vorhanden ist - eine Höherstufung des Pflegegrades. Dafür füllt man ein Formular der Pflegekasse aus.

Ein Gutachter prüft, ob und in welchem Umfang die jeweilige Person auf Pflege und Betreuung angewiesen ist. „Die Begutachtung erfolgt in aller Regel schnell, entweder vor Ort oder nach Aktenlage“, sagt Stefan Nolte von der Malteser Wohnen & Pflegen gGmbH. Bekommt jemand einen Pflegegrad zugeteilt, gilt der Grundsatz: je höher der Pflegegrad, desto höher die Leistungen der Pflegekasse.

Hausarzt oder Hausärztin kontaktieren

„Für medizinische Belange ist es sinnvoll, als nächstes die Hausärztin oder den Hausarzt der pflegebedürftig gewordenen Person zu kontaktieren“, sagt Kempchen. Sie oder er kennt oft die Belange der Patientin oder des Patienten gut und kann Tipps geben.

Übrigens: Informationen und kostenlose Beratung bieten Pflegestützpunkte oder Pflegeberatungsstellen. Sie händigen einem zum Beispiel eine Übersicht mit wohnortnahen Pflegediensten aus. Oft helfen sie auch beim Ausfüllen von Anträgen.

Einen Pflegedienst finden

Soll die Pflege entweder übergangsweise oder dauerhaft im häuslichen Umfeld des pflegebedürftig gewordenen Menschen erfolgen, müssen Angehörige mit Pflegediensten Kontakt aufnehmen. „Häufig ist es mühselig, einen Pflegedienst mit freien Kapazitäten zu finden“, sagt Nolte.

Angehörige müssen also gegebenenfalls fürs Telefonieren Zeit und Geduld einplanen. „Unter Umständen müssen sie sich auch darauf einstellen, übergangsweise selbst die pflegebedürftige Person zu pflegen“, sagt Nolte.

Über alles miteinander reden

Bei Menschen, die zum Pflegefall geworden sind, kommen oft viele Ängste und Sorgen auf. Das wiederum ist häufig eine herausfordernde Situation für Angehörige. Diese sollten offen und ehrlich mit der Pflegeperson reden und dabei nichts beschönigen, aber auch nichts dramatisieren, rät Nolte.

„Im Idealfall ist in der Familie schon vor dem Akutfall geklärt worden, welche Wünsche die pflegebedürftige Person mit Blick auf Pflege zu Hause oder Heimunterbringung hat“, sagt Ulrike Kempchen.

Dennoch kann es mitunter vorkommen, dass der zu pflegende Mensch die Pflege nicht akzeptiert oder sogar verweigert, wenn es ernst wird. „Hier müssen Angehörige geduldig versuchen zu erklären, dass es ohne Pflege einfach nicht geht“, sagt Nolte.

Die Kostenfrage klären

Pflege, egal ob zu Hause oder im Heim, ist teuer. Sehr häufig reichen Rente und die Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht, um alles zu finanzieren. „Bestenfalls ist auch über die Kostenfrage schon im Vorfeld in der Familie geredet worden“, sagt Ulrike Kempchen.

Womöglich sind beispielsweise Sparbücher oder Wertpapierdepots aufzulösen, um an Geld zu kommen. „Ist kein Geld vorhanden, dann ist es keine Schande, Hilfe zur Pflege zu beantragen“, so die Expertin.

Daneben ist aber vor allem bei einer häuslichen Pflege zu klären, wer sich wann um die zu pflegende Person kümmert. „Von Vorteil ist es, wenn man die Pflege und das Beaufsichtigen auf möglichst viele Schultern verteilt“, sagt Stefan Nolte. Vielleicht gibt es nicht nur in der Familie Menschen, die die pflegebedürftige Person versorgen können, sondern auch im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft.

Pflegeauszeit auf der Arbeit beantragen

Angehörige können außerdem bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben, um in einer akuten Pflegesituation Pflege zu organisieren oder die Pflege selbst vorzunehmen. „Wichtig ist, dem Arbeitgeber die Verhinderung sofort mitzuteilen“, sagt Ulrike Kempchen. Ein Pflegegrad muss bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung noch nicht festgestellt worden sein.

Die Regelung gilt für alle Arbeitgeber, egal, wie groß das jeweilige Unternehmen ist. Für die Freistellung können Beschäftigte eine Lohnersatzleistung, das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld, beantragen. „In großen Konzernen gibt es zudem Pflegelotsen, die Angehörigen wichtige Tipps in Sachen Pflege geben können“, sagt Stefan Nolte.

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(dpa)