„Wie eine große Familie“ - Wenn Eltern eine Kita gründen

Bremen (dpa) - Ein Betreuer für drei kleine Kinder - in den meisten Bremer Kindertagesstätten ist die Lage vergleichsweise gut. Dennoch bekommen nicht alle Eltern den Platz, den sie sich wünschen. Manche gründen deshalb selbst eine Einrichtung.

Noch ist es ein großer leerer Raum mit kahlen Wänden und kaltem Steinboden. „Hier kommt die erste Gruppe hin, die unter Dreijährigen“, erklärt Andrea Pleß, als sie in bunten Stoffhosen fröhlich über die Baustelle läuft. „Und da gibt es ein Bad mit Mini-Toiletten und Wickeltischen“. Die Vorfreude ist der 26-Jährigen anzumerken. Seit März trifft sich die Mutter eines 14 Monate alten Mädchens mit anderen Eltern, um mit Fördergeldern eine Kindertagesstätte zu gründen. „Kokolores“ haben sie ihren Verein genannt. Spätestens im November soll es in den neuen Räumen losgehen - mit zwei Gruppen für unter Dreijährige und einer für Ältere.

„Ich finde es spannend, selbst Einfluss darauf zu haben, was entsteht“, sagt sie und erzählt, wie sie für ihre Tochter Hanna keinen Platz in der gewünschten Kindertagesstätte bekam. „Es gibt die Möglichkeit, selbst eine Kita zu gründen“, wurde ihr gesagt - und nach einigem Überlegen fand sie die Idee prima. „Wann hat man schon mal die Möglichkeit, einen eigenen Kindergarten zu bauen?“

Rund 7500 von Eltern geführte Betreuungseinrichtungen gibt es der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen zufolge in Deutschland. Überdurchschnittlich viele sind es in Bremen - nach Angaben des bremischen Sozialressorts wird etwa jede dritte Kita von einem Elternverein geleitet. Wer sein Kind in eine solche Einrichtung gibt, kann großen Einfluss auf die Betreuung seiner Sprösslinge haben. Er oder sie muss sich aber auch engagieren: im Vereinsvorstand und bei Aufgaben wie Putzen, Waschen oder Kochen.

„Wir sind hier wie eine Familie“, erklärt Christian Padeffke den Unterschied zu einer staatlichen Einrichtung, in der oft deutlich mehr Kinder betreut werden. Der Innenarchitekt hat 2009 mit Gleichgesinnten die Bremer Kindergruppe „Kauderwelsch“ gegründet. Über ein Jahr hat es gedauert, bis alle Anträge genehmigt, die Räume gefunden und umgebaut waren. Von dem Konzept ist er begeistert. „Man ist einfach näher dran“, sagt der 42-Jährige, der im Vorstand für die Finanzen zuständig ist. Den hohen Zeitaufwand, den sein Ehrenamt fordert, nimmt er gerne in Kauf. „Ich tue es für meine Kinder.“

Ein Betreuer für drei oder manchmal sogar nur zwei Kinder - davon können viele Einrichtungen für unter Dreijährige nur träumen. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung ist Bremen das einzige Bundesland mit einem Erzieher-Kind-Verhältnis von 1:3,1. Beim Nachbarn Niedersachsen liegt der Schlüssel demnach bei 1:4, in Sachsen-Anhalt sogar bei 1:6,5. Im bundesweiten Durchschnitt ist eine Erzieherin für 4,5 unter Dreijährige zuständig.

„Wer hat die Kokokosnuss, wer hat die Kokosnuss ...“, zwei Kinder der „Kauderwelsch“-Kita haben es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und singen mit ihrer Betreuerin. „Ich arbeite seit 23 Jahren ganz bewusst in Elternvereinen“, sagt Erzieherin Nicole Delhoum. „Die familiäre Atmosphäre, die Zusammenarbeit mit den Eltern und die Freiheit - das liegt mir.“ Bei „Kauderwelsch“ genießt die 42-Jährige vor allem die Gemeinschaft. „Gerade waren wir mit allen Kindern und Eltern für ein Wochenende in einem Haus im Wald“, erzählt sie.

Andrea Pleß hofft, dass sie mit „Kokolores“ bald auch solche Unternehmungen starten kann. Treffen mit Musikgruppen, Ausflüge in den Wald, Sport - Ideen für ein buntes Kinderprogramm haben sie und die anderen Vereinsmitglieder genug. Auch eine Kooperation mit dem Pflegeheim, auf dessen Grundstück die Räume liegen, soll es geben. „Wir könnten zum Beispiel eine Vorlesestunde organisieren“, sagt sie. Sorge, nicht genügend Kinder für die drei Gruppen zu bekommen, hat die junge Mutter nicht: „Ich schätze, die werden uns die Bude einrennen.“