Geldanlage für Risikofreudige — Zertifikate wieder gefragt

Berlin (dpa/tmn) - Die Lehman-Krise hat sie in Verruf gebracht. Inzwischen ist das Image von Zertifikaten wieder besser. Doch Vorsicht: Sie sind häufig komplexe Finanzprodukte. Unerfahrene Anleger lassen davon lieber die Finger.

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Im September 2008 stand die Finanzwelt am Rand des Abgrunds, als die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers pleiteging. Ein Desaster auch für diejenigen, die Lehman-Zertifikate erworben hatten: Die Papiere wurden durch den Bankrott weitgehend wertlos. Danach machten zahlreiche Anleger um Zertifikate einen Bogen. Das hat sich inzwischen gewandelt. „Durch vielfältige Maßnahmen wie eine bessere Kundeninformation ist das Vertrauen wieder gewachsen“, sagt Julia Topar vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin.

Das sieht Lars Brandau vom Deutschen Derivate Verband ähnlich: „Wir beobachten seit geraumer Zeit einen Trend dahin, dass Anleger wieder etwas risikofreudiger werden.“ Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mahnt Unerfahrene dennoch zu Vorsicht: „Anleger sollten Zertifikate keinesfalls kaufen, falls sie diese nicht verstehen.“

Was sind eigentlich Zertifikate?

Zertifikate sind Derivate. Bei diesen Wertpapieren investiert der Anleger nicht direkt in einen Wert — es werden also keine Anteile eines Aktienfonds oder Rohstoffes erworben. „Bei einem Zertifikat wird im Grunde auf einen Basiswert gewettet“, erklärt Scherfling. Die Bank, die das Zertifikat herausgibt, ermöglicht dem Kunden, auf eine bestimmte Marktentwicklung des Basiswerts zu setzen.

Welche Varianten gibt es bei Zertifikaten?

Bei einem Zertifikat können unterschiedliche Basiswerte zugrunde gelegt werden - zum Beispiel die Preisentwicklung für einen Rohstoff wie Gold. „Auch bekannte Indizes oder Aktien kommen als Basiswerte infrage“, erläutert Brandau. Der Anleger setzt über den Erwerb eines Zertifikats darauf, wie sich ein Wert entwickeln wird. Wer als Anleger richtig liegt, bekommt am Ende der Laufzeit sein Geld und im besten Fall einen vorher vereinbarten Zinssatz zurück. Diejenigen, die mit ihrer Vorhersage danebenliegen, erhalten nur das eingesetzte Kapital — gegebenenfalls auch nur einen Teil.

Wodurch unterscheiden sich Zertifikate von Aktien oder Fonds?

„Der Handel von Zertifikaten findet im Wesentlichen außerhalb der Börse statt“, erklärt Julia Topar. Bei einer Anleihe ist das Grundkonstrukt einfach: Jemand verleiht Geld und bekommt dafür einen vereinbarten Zinssatz. Anders bei Zertifikaten, bei denen die Entwicklung eines bestimmten Basiswertes ausschlaggebend ist. „Bei Fonds besteht die Sicherheit, dass diese als Sondervermögen gelten und bei einer Insolvenz der Fondsgesellschaft geschützt sind“, erklärt Topar. Bei Zertifikaten ist das nicht so.

Wo können Anleger Zertifikate erwerben?

„Viele Zertifikate können über die Hausbank an der Börse erworben und im eigenen Depot verwahrt werden“, sagt Scherfling. Anleger können aber auch selbst tätig werden, beispielsweise via Online-Broker. „Man sollte in jedem Fall nur Zertifikate namhafter und seriöser Emittenten erwerben“, empfiehlt Topar.

Wo liegen Risiken beim Erwerb von Zertifikaten?

Eine feste Verzinsung gibt es nicht. Anleger erwerben die Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg eines Börsenwertes. „Wer Zertifikate kauft, muss sich darüber im Klaren sein, dass er bei einer Zahlungsunfähigkeit des Emittenten das Risiko eines Totalverlustes eingeht“, betont Julia Topar. Neben dem Emittentenrisiko gibt es weitere Risiken wie das eines Kursrückgangs. „Ein solcher tritt ein, wenn sich der Basiswert in die vom Anleger unerwünschte Entwicklung bewegt oder sich etwa das Zinsniveau für den Anleger ungünstig verändert“, sagt Brandau.