Teure Vorsorge: Berufsunfähigkeit absichern
Hamburg (dpa/tmn) - Zeckenbiss, Mobbing, ein Sturz: Es gibt viele Möglichkeiten, berufsunfähig zu werden. Seit vor zehn Jahren der gesetzliche Rentenanspruch für die Jahrgänge ab 1961 gestrichen wurde, ist private Vorsorge gefordert.
Viele Berufseinsteiger sparen daran.
Mechatroniker, für Martin der Traumberuf. Die Ausbildung klappt super, die Übernahme auch. Alles bestens also. Bis zu jenem Nachmittag, an dem Martin beim Basteln am Auto zwei Finger einbüßt. Aus und vorbei mit dem Traumjob. Stattdessen: Stelle weg, Geld weg. Eine Berufunfähigkeitsversicherung hat Martin nicht.
Der fiktive Fall sei typisch für Berufseinsteiger, meint Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV) aus Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. „Die jungen Leute setzen andere Prioritäten. Auto, Handy, Computer: Dafür geben sie Geld aus.“ Zugleich verzichten sie darauf, ihren Lebensunterhalt frühzeitig abzusichern. Dazu bietet die Berufsunfähigkeitsversicherung, kurz BU, eine Chance. Deshalb zählt eine BU für Verbraucherschützer wie Bianca Boss zum Muss. Allerdings ist sie teuer: Mindestens 20 Euro pro Monat kostet es, um im Ernstfall etwa 500 Euro Rente zu bekommen. Üblicherweise werden zwischen 60 und 80 Prozent des Einkommens abgesichert.
Der Beitrag orientiert sich am ausgeübten Beruf und dem Alter. „Im Handwerk besteht ein höheres Risiko berufsunfähig zu werden als im Büro“, umreißt Boss die Kalkulation. Aus dem gleichen Grund steigt der Beitrag mit zunehmendem Alter. Experten empfehlen einen Vertragsabschluss schon zu Beginn einer Lehre und eine Laufzeit bis zum Alter von 67 Jahren.
Das gebremste Interesse junger Verbraucher erklärt Martin Kinkel, der im Auftrag von Arbeitsagenturen und Personalabteilungen Vorsorgeseminare für Berufseinsteiger anbietet, auch mit der Komplexität des Produkts. Es gelte viele, in eine unbestimmte Zukunft weisende Details zu berücksichtigen: Karrieresprung, ein zweiter Beruf? Was ist bei Heirat, Geburt, Selbstständigkeit?
Grundsätzlich gilt: Berufswechsel und Karriere sind abgedeckt. Leistungen richten sich nach der letzten ausgeübten Tätigkeit und dem dort verdienten Geld. Höheres Einkommen plus ein Mehr an Leistung können über eine Dynamik-Klausel vereinbart werden. „Die Höher-Versicherungsoption kann man dann zum Beispiel am Ende der Ausbildung nutzen, wenn man mehr Geld übrig hat“, erläutert Kinkel. Einige Gesellschaften verzichten auf eine erneute Gesundheitsprüfung, wenn Verbraucher die Option innerhalb bestimmter Fristen nutzen. Die Leistungsdynamik kann die Inflation auffangen, die im Laufe der Jahre an der Versicherungssumme knabbert. Solche Punkte sollten in den Vertragsbedingungen festgeschrieben werden.
Mittlerweile bieten Firmen ihren Mitarbeitern sogenannte Gruppen-Berufsunfähigkeitsversicherungen zu relativ günstigen Konditionen an. Sie dienen unter anderem als „Rekrutierungsargument in der Nachwuchserwerbung“, so Kinkel. Sein Tipp: im Bewerbungsgespräch danach fragen.
Offerten gibt es auch für Schüler und Studenten. „Ein Student im Hauptstudium oder kurz vor dem Examen wird so eingestuft, als hätte er eine fertige Berufsausbildung“, sagt Stefan Albers, Präsident des Bundesverbands der Versicherungsberater in Bonn. In der Regel verzichteten Assekuranzen bis zu einer versicherten Rente von 1000 Euro auf Gehaltsangaben. Das öffne neben Berufseinsteigern und Schülern zum Beispiel Hausfrauen den Weg in die BU.
Die Gefahr, berufsunfähig zu werden, ist groß. Im gewerblich-technischen Bereich trifft es etwa jeden Dritten, im Büro jeden fünften Arbeitnehmer. Knapp zehn Prozent müssen einer Statistik der Rentenversicherungsträger zufolge aufhören, bevor sie 40 sind. Auslöser gibt es zuhauf. Mobbing gehört dazu, psychischer Druck, Rückenschmerzen, aber auch Zeckenbisse, Stauballergie bei Bäckern oder Kontaktallergien bei Friseuren.
Dagegen stagniert die Zahl der Verträge. Nach Angaben des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin schwankt sie seit 2003 um die 16 Millionen. Darin enthalten sind Abschlüsse, die BU und Altersvorsorge kombinieren, etwa mit einer Riester-Rente oder einer Kapital-Lebensversicherung. „Der Hauptteil des Beitrags geht in diesen Vertrag, der Rest in die BU“, erläutert GDV-Sprecherin Una Großmann. Beispiel: Von 100 Euro fließen 80 in die Altersvorsorge, 20 in die BU. Die Verknüpfung ist beliebter als das klassische BU-Produkt, obwohl bei einer eigenständigen BU unter dem Strich mehr Leistung herausspringt.
Viele Fachleute lehnen deshalb die auch Baustein-Produkt genannten Kombinationen ab. „Finger weg von Kapital bildenden Verträgen“, urteilt zum Beispiel Stefan Albers. Er argumentiert: „Bekommt jemand nur eine geringe BU, kann er weder seine Beiträge zu Riester- oder Rürup-Rente noch zur Lebensversicherung bezahlen.“ Im schlimmsten Fall bliebe die private Altersvorsorge komplett auf der Strecke. Optimal ist laut BdV, das Einkommen so über die BU abzusichern, dass im Ernstfall aus deren Leistung andere Verträge weiter bedient werden können.