Blick in eine Baumkuchenmanufaktur
Grammentin (dpa) - Baumkuchenbäcker haben in der Vorweihnachtszeit Hochsaison. In der Ivenacker Baumkuchen-Manufaktur kreisen die Walzen im Ofen fast ohne Unterlass. Die Konditorenfamilie Komander kann die Nachfrage kaum befriedigen.
Was fällt Konditoren beim Anblick der tausendjährigen Ivenacker Eichen ein? Baumkuchen natürlich. So war es jedenfalls bei Mirjam und Peter Komander, die heute die nach eigenen Angaben einzige Baumkuchenmanufaktur nördlich Berlins betreiben. Vor vier Jahren suchte der damals knapp 50-jährige Konditormeister für sich, seine Frau und sechs Kinder eine neue Perspektive. „Wir wollten endlich selbstständig sein“, sagt er. Aus Bayern wollten die Norddeutschen weg, nahe der Ostsee wohnen. Ein Haus mit Laden und Nebengelass fand sich in Grammentin an der Mecklenburgischen Seenplatte, nicht weit von den Ivenacker Eichen und Stavenhagen, dem Geburtsort des niederdeutschen Dichters Fritz Reuter.
In der Vorweihnachtszeit ist Hochsaison. Ein wandgroßes Schaufenster bietet Einblick in das Geheimnis des Baumkuchenbackens. Der Neugierige stutzt angesichts der vielen Bäckermützen. Doch ihren Arbeitsplatz haben in der Backstube nur Vater Komander und der 19-jährige Heinz, sein Ältester, der kurz vor der Prüfung zum Bäckermeister steht und Juniorchef des Familienbetriebes ist. „Ich mag den Beruf, weil er so vielseitig und kreativ ist“, sagt der junge Mann. Heinz' Zwillingsschwester Sarah ist Konditorin in Berlin. Horst (15) und Samantha (13) helfen wie selbstverständlich mit. Den vier Geschwistern aus Komanders erster Ehe in Brasilien, wo er bis 1994 lebte, folgten Manfred (7) und Susi (5), die ebenfalls im Laden und in der Backstube umherwuseln.
„Die Idee vom Baumkuchenbacken schwirrt meinem Mann schon immer im Kopf herum“, verrät Mirjam Komander. Doch beim Baumkuchen ist es nicht geblieben. Eine Geburtstagstorte für die Nachbarschaft zog weitere Wünsche und Aufträge nach sich. 13 verschiedene Torten und Kuchen stehen mittlerweile sonntagvormittags in der Kühlvitrine. Darunter ist die mit Pistazienmarzipan gedeckte und dem Schriftzug Reuters versehene sahnige Torte, die in der Umgebung Berühmtheit erlangt hat. Café und Konditorei sind sieben Tage die Woche geöffnet.
Die ersten Test-Baumkuchen produzierten Komanders vor drei Jahren für einen Berliner Ladenbesitzer. Die Backstube haben sie mit gebrauchten Maschinen ausgestattet. Auf der Suche nach einem Baumkuchenofen hätten sie eine ganze alte Backstubeneinrichtung günstig bekommen, berichtet der Konditormeister. Als Glück empfindet er, dass er im Osten immer noch Handwerker findet, die ihm auch über 50 Jahre alte Maschinen noch reparieren. Als Vertreter für Lübecker Marzipan verdiente Komander bis vor kurzem das Grundeinkommen für die Familie. Heute beliefert er Cafés und Läden vor allem in Berlin mit Ivenacker Baumkuchen, die er sich hat patentieren lassen.
Die Kuchen sind ganz ohne Zusatzstoffe gebacken, nur aus Eiern, Butter, Zucker, Mehl, Weizenpuder, Marzipan, Gewürzen und Alkohol. „Von dem bleibt aber nur das Aroma“, versichert Komander. Unter den Teig hebt Heinz zum Schluss per Hand einen Eimer Eischnee. Die Masse kommt in ein Becken im Baumkuchenofen. Darin kreisen sechs Walzen, die in den Teig eintauchen, eine Runde drehen, bis der Teig goldbraun ist und dann erneut mit Teig überzogen werden. Nach dem Abkühlen werden die Kuchen von der Walze gestreift, in Ringe geschnitten und mit Zartbitter-, Vollmilch- oder weißer Kuvertüre überzogen. Bis zu 250 Kilo Baumkuchen können Komanders pro Woche backen.
Und das Familienunternehmen wächst weiter. Im Anbau auf dem Hof sind Bauarbeiter zugange, dort sollen noch vor Weihnachten frische Bio-Pralinen produziert werden. Ein Geschäftspartner hilft, das Vorhaben zu finanzieren, liefert die Rohstoffe und hat die Marketingstrategie entworfen. Komanders zwei 400-Euro-Kräfte werden dann Vollzeit arbeiten. Ein paar Monate Test sind eingeplant, aber in einem Jahr sollen die Pralinen auf dem Markt eingeführt sein.
Damit nicht genug: Hinter Komanders Grundstück steht eine Windmühle, an der sich einst ein Künstlerpaar, später ein Verein versuchten. Sie soll ein Café werden. Den ganzen Sommer über kamen Reisebusse voller Kaffeegäste, nachdem ein Hotel in Stavenhagen auf die Baumkuchenmanufaktur aufmerksam geworden war. Sie wurden bisher nur auf der Terrasse verköstigt, das soll sich 2012 ändern. Das große Geld hat die Familie allerdings noch nicht verdient: „Es wird so gehen wie alles bei uns - in kleinen Schritten“, sagt Komander.