Chinesische Heilkunst: Wo die Energien strömen

Wirkt die traditionelle chinesische Heilkunst gegen Stress und Trübsal? Ein Selbstversuch.

Mönchengladbach. Mit geschlossenen Augen klopfe ich mit den Fingerkuppen meiner linken Hand beständig auf meine Schädeldecke. Dabei wiederhole ich, was die Therapeutin vorsagt: „Ich vergebe mir auf allen Ebenen, auch wenn ich bewusst oder unbewusst niemals aufhören werde zu glauben.“

Man redet sich minutenlang in einen Zustand, der alles drumherum vergessen lässt. Mitten im monotonen Wiederholen macht es plötzlich im Kopf „klick“ und die Worte dringen in das Bewusstsein ein.

Wie ein plötzliches Verstehen, was ich da eigentlich sage. Dann wird mit beiden Händen an den Hinterkopf geklopft, danach verteilen sich die leichten Schläge über verschiedene Punkte im Gesicht, am Brustbein, den Rippen, der Handkante und schließlich an Fingern und am Handrücken.

Wozu das alles? Um durch Klopfen die Meridiane zu stimulieren und den Energiefluss anzuregen. Basierend auf den Erkenntnissen der traditionellen chinesischen Medizin, dass Energie ungehindert durch den Körper strömen können muss, da es ansonsten Verstimmungen gibt. Physisch wie psychisch.

Um meine Blockaden zu lösen, sitze ich bei Kornelia Golz auf der Couch. Skeptisch, aber neugierig. Zur Vorbereitung der Sitzung muss man seine Glaubenssätze hervorkramen. Sätze, die man für sich selbst postuliert hat. Sätze wie: „Ich bin zu dick“, oder „Ich bin hässlich, deswegen liebt mich sowieso keiner“, oder „ich kann mich eh nicht durchsetzen“.

„Können Sie sich in das unangenehme Gefühl hineinversetzen?“, fragt die Psychotherapeutin. Klar, begleitet mich ja jeden Tag. Dann geht’s los. Ich klopfe, spreche ihr nach, soll eine Melodie summen, einfache Rechenaufgaben lösen und mit den Augen ihrem Finger folgen. Und tief atmen.

Nach 40 Minuten ist die erste Runde beendet, die Arme schwer, die Atmung tief und ein leichtes Gefühl macht sich im Brustkorb breit. Entspannen. Endlich in die Polster sinken. Die Augen will ich gar nicht öffnen, eigentlich lieber einschlafen. „Holen Sie das negative Gefühl noch einmal zurück“, flüstert die Therapeutin.

Ich versuche es. Es geht nicht. So sehr ich mich anstrenge, es ist nicht mehr da. Wie lange dieser Zustand anhält, weiß niemand. Aber dafür gibt es die Klopfanleitung für Zuhause — um Sorgen und Ängsten entgegenzuwirken, seinen Alltag leichter zu machen. Auch schwere Belastungen, Phobien und schlimme Erinnerungen lassen sich angeblich damit therapieren.

„Wer wie darauf reagiert, ist unterschiedlich“, sagt Golz. Sie selbst wendet es in ihrer Praxis in Mönchengladbach nur als unterstützende Maßnahme zur traditionellen Psychotherapie an. „Man muss ein Gefühl dafür bekommen, ob und wann ein Patient bereit dazu ist.“ Mich als Skeptikerin hat es sogar im Schnelldurchgang überzeugt.