Der Bohnen-Boom - Immer mehr kleine Kaffeeröster

Münster/Berlin (dpa) - Kleine Kaffeeröstereien sprießen in Deutschlands Städten wie Pilze aus dem Boden. Sie bieten Spezialitäten jenseits des Massengeschmacks. Auch hohe Preise schrecken die Kunden nicht.

Hier riecht es ungewöhnlich, nach einem exotischen Mix aus Kaffeeduft und Verbranntem. Viele silberne Röhren ziehen sich durch die kleine Rösterei in Münster. An den weißgestrichenen Backsteinmauern lehnen Säcke mit Bohnen aus Indonesien, Kuba und Brasilien. Inmitten dieses lichtdurchfluteten Raumes arbeitet die riesige Röstmaschine. Fünf Tage in der Woche verbringt Mario Joka davor und wird von der durchdringenden Duftwolke umhüllt. Joka ist Röstmeister und liebt seine Arbeit. Wie er gehen immer mehr Unternehmer, sogenannte Spezialitätenröster, in Deutschland mit kleinen regionalen Kaffeemarken an den Start.

Denn es gibt nicht nur den Massengeschmack, sondern auch persönliche Vorlieben - und Leute, die dafür zahlen. „Kleine Röstereien können dem Kunden individuell abgestimmte Röstungen anbieten und nach Kundenwunsch zusammenstellen“, sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes in Hamburg. Auch sortenreine Kaffees statt Mischungen sind im Angebot. „Dadurch erfährt der Konsument, dass beim Kaffee wie beim Wein jede Sorte und jeder Jahrgang aus einem Land unterschiedlich schmeckt.“

„Wer hat morgens als Kaffeeliebhaber schon die Chance zu sagen: Ich probiere jetzt einen meiner 25 Kaffees?“, sagt der 40-jährige Joka. Der Mann mit Ziegenbärtchen, karierter Schirmmütze und runder Brille ist ein Seiteneinsteiger, eigentlich gelernter Tischler. Eines Tages sei ihm klar geworden: „Ich habe keine Lust mehr auf meinen alten Job.“ Bei ihm und seiner Frau stand damals ein kleiner Kaffeeröster in der Küche. Aus dem Hobby machte das Ehepaar kurzerhand einen Beruf.

Um erste Erfahrungen zu sammeln, schnupperte der 40-Jährige in die Rösterei eines Bekannten hinein. „Learning by doing“, sagt Joka. Mittlerweile hat das Ehepaar drei Cafés in Münster - mit dem Namen „roestbar“. Er verkauft auch an Hotels, kleinere Büros oder Firmen. Bis zu 27 Euro muss ein Kunde pro Kilo hinblättern. Viele Leute sind bereit, soviel zu zahlen, sagt der Generalsekretär der Deutschen Röstergilde, Heiko Rehorik. „Es wird immer mehr Wert auf Qualität gelegt. Alles soll frisch produziert werden.“ Und: Das Handwerk rücke beim Kunden wieder mehr in den Vordergrund.

Sogar kleine Cafés und Bäckereien stellen nun zunehmend ihren eigenen Muntermacher her. „In den letzten Jahren wurden wieder mehr Kleinröstereien eröffnet“, sagt Preibisch. Die Röstergilde spricht von einem Boom. „In diesem und im letzten Jahr war der Zuwachs sehr stark. Geschätzte 50 Röstereien kommen nun pro Jahr in Deutschland dazu“, sagt Rehorik. Allerdings fallen darunter auch Shop-Röster mit nur ein bis zwei Kilo pro Charge. Rehorik schätzt, dass es bundesweit zwischen 300 und 500 Röster gibt.

„Dennoch kann man keinen Rückgang der von der Industrie hergestellten Kaffees feststellen“, sagt Preibisch. „Im Gegenteil. Die Deutschen trinken immer mehr Kaffee.“ Im vergangenen Jahr lag der Pro-Kopf- Konsum der Bundesbürger bei durchschnittlich 150 Litern.

Den Lehrberuf des Rösters gibt es nicht. Aber Anwärter auf den Job können in der „Berlin School of Coffee“ büffeln. Fünfmal im Jahr gibt es dort eine Röstwoche mit sehr gutem Zulauf. Rehorik sagt: „Es gibt immer noch viele Quereinsteiger in den Beruf.“ So wie Mario Joka, der sich dennoch Röstmeister nennen darf. Denn Röstmeister ist kein geschützter Begriff.

Joka beweist viel Geduld beim Rösten. Seine Bohnen bleiben bis zu 20 Minuten bei maximal 240 Grad in der Maschine. „Wir gehen schonend mit der Bohne um“ - so könnten sich die Aromen besser entfalten. Erst vor den Augen der Kunden werden die Bohnen zu Mehl. „Bei vermahlenem Kaffee, der länger steht, verfliegen die Aromen.“