Frühstück als Quickie: Ein Streifzug durch Europa
Berlin (dpa/tmn) Schnell, schneller, am schnellsten: Wo in Europa leben die Express-Frühstücker? Beste Aussichten auf die vorderen Plätze haben die Südländer. Kaffee und Hörnchen werden meist rasch im Stehen verzehrt.
Während die nordische Küche häufig als deftig und schwer gilt, ist die Kost im Süden Europas oft leichter. Das macht sich auch beim Frühstück bemerkbar: Die Südländer sind wahre Schnellfrühstücker. Eine Tasse Kaffee, ein Espresso, gekippt in der Bar an der Ecke auf dem Weg zur Arbeit muss reichen - zumindest in Spanien und Italien. Nordländer wappnen sich aufwendiger mit Brot, belegten Brötchen und Kaffee für den Arbeitsalltag.
„Es gibt ein klares Nord-Süd-Gefälle: im Norden reichhaltig, im Süden knapp“, erklärt Jana Rückert-John, Ernährungssoziologin an der Technischen Universität Berlin, die europäischen Frühstücksgewohnheiten. Geschuldet ist der Unterschied unter anderem dem Klima, denn im warmen Mittelmeerraum wird an sich leichter gespeist als im kühleren Norden. Entsprechend mager fällt das Morgenmahl aus. Damit lebt das Frühstück im Süden wohl in der ursprünglichen Bedeutung weiter - es durchbrach die nächtliche „Fastenzeit“. Die französische Benennung „dejeuner“, entfasten, und das englische „breakfast“, Fastenbrechen, weisen darauf hin - und es half, die Zeit bis zur Hauptmahlzeit zu überbrücken.
Im Zuge der Globalisierung ändern sich im Norden Europas allmählich Rituale und Vorlieben. Zum einen wird immer schneller gefrühstückt. Im Schnitt braucht die „Frühstücksnation“ der Deutschen wochentags nur noch 15 Minuten, um Kaffee und Essbares in den Magen zu bekommen. In etwa auf die gleiche Dauer bringen es Briten, Japaner, Amerikaner und Franzosen. „Auf der Rennstrecke zwischen Bett, Bad und Büro muss montags bis freitags Frühstück reingezwängt werden“, hat Gretel Weiß, Herausgeberin der Fachzeitschrift „Food Service“, beobachtet.
Zum anderen werden anstelle des Marmeladenbrots daheim nun „im Vorbeilaufen“ riesige Becher, gefüllt mit Kaffee aller Art, und Sandwich, Muffin oder Croissant gekauft und im Laufschritt verputzt. Ein solches „Nebenbei-Frühstücken“ sei typisch für Menschen, die erfolgreich wirken wollen, indem sie vieles schnell und gleichzeitig erledigen, sagt Prof. Alfred Gebert von der Fachhochschule des Bundes in Münster. Dieses Verhalten ist vor allem in Großstädten zu beobachten. Vor dreißig Jahren, galt es noch als unfein „kauend durch die Gegend zu laufen“, sagt der Psychologe.
Mittlerweile ist Außer-Haus-Frühstücken einer Studie der European Business School im hessischen Oestrich-Winkel zufolge für fast die Hälfte der Deutschen selbstverständlich. Dennoch liegen Deutschland, Österreich und die Schweiz beim schnellen Frühstück hinter den USA und Schweden zurück. Die Schweden genehmigen sich Kaffee und Butterbrot flott im Café, berichtet Weiß. Die Franzosen kommen nach wie vor meist mit einem Café au lait und einem Croissant aus, bevor es mittags üppiger und ausgiebiger wird.
Die Briten, denen ein Hang zum reichhaltigen üppigen Frühstück nachgesagt wird, treten zumindest in London kürzer. Dort existieren Hunderte Ableger amerikanischer Coffeeshop-Ketten, deren weitgehend standardisiertes Angebot auch in den USA und Deutschland zu finden ist: Kaffee und meist irgendetwas Süßes. Die asiatische Misu-Suppe ist nach der Beobachtung von Gretel Weiß ein neuer Trend in Britanniens Hauptstadt.
Je weiter südlicher, desto kleiner werden übrigens die Kaffeetassen. Endpunkt ist das minimalistische Espresso-Tässchen. Weil es mit einem Schluck ausgetrunken werden kann, passt es zum sparsamen italienisch-spanischen Morgenmahl. Experten sind mit Zeitangaben zurückhaltend, länger als ein paar Minuten dürfte es aber kaum dauern. Mit Geschwindigkeit hat Espresso allerdings nichts zu tun. Der Begriff weist wahrscheinlich auf die Herstellung, das Ausdrücken oder Durchdrücken des Kaffeemehls, und die Herkunft hin. Morgens wird der kleine Schwarze auch als Caffè latte oder Capuccino getrunken. Dazu gibt es gefüllte oder ungefüllte Cornetto-Hörnchen, fettgebackene Churros oder Zwieback.
Dass manche Männer hierzulande ihren Kaffee nach südländischer Art hinunterkippen, erklärt Alfred Gebert so: „Der Espresso-Mann mag ein Leben auf der Überholspur. Er will alles erleben. Schnell. Sofort.“ Und das schon am frühen Morgen.