Einfach Abwarten - Blutschwämme verschwinden meist wieder
Berlin (dpa/tmn) - Ein Blutschwamm tritt bei Neugeborenen häufig auf. Das rote oder bläuliche Mal auf Kopf, Hals oder Rücken sieht gefährlich aus, ist es in der Regel aber nicht - und muss auch meist nicht behandelt werden.
Warum es entsteht, ist bislang kaum geklärt.
Ein Kind wird geboren. Die Eltern sind beide gesund, es war eine unproblematische Schwangerschaft. Und doch hat das Neugeborene zwei rote, schwammartige Flecken am Körper. Damit ist es eins von rund zehn Kindern, das mit einem Blutschwamm zur Welt kommt, einem gutartigen Tumor der Blutgefäße. Ein Drittel dieser sogenannten Hämangiome ist angeboren, der Rest entsteht während der ersten Lebenswochen. Hat ein Kind mehrere Blutschwämme, sprechen Ärzte von einer Hämangiomatose.
„Während der Schwangerschaft werden die Blutgefäße des Kindes angelegt. Bilden sich zu viele Blutgefäße mit ungeordneter Struktur an einer Stelle, entsteht ein Hämangiom“, erklärt der Gefäßmediziner Prof. Norbert Weiss von der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) in Berlin. Ihr Aufbau sei ähnlich der einer Bienenwabe: Die Gefäße bilden eine wabenartige Struktur mit Hohlräumen dazwischen. Betroffen sind meistens Kopf und Hals des Kindes, weniger häufig gibt es Blutschwämme auf dem Rücken und den Organen. Besonders auf der Leber können sie sich bilden.
Warum sich die Gefäße im Mutterleib falsch aufbauen und anlegen, wissen Mediziner nicht genau. „Es wird vermutet, dass die Hormone eine Rolle spielen und es auch eine erbliche Komponente gibt“, sagt die Dermatologin Uta Schlossberger aus Köln. Wissenschaftlich bewiesen ist das aber nicht. Nur, dass mehr Mädchen als Jungen betroffen sind. Und dass die roten Flecken keine Schmerzen verursachen.
Sicher ist, dass sich die Gefäßanomalie von Kind zu Kind unterscheidet: in der Größe und Anzahl der Flecken sowie im Verlauf. Die meisten Blutschwämme verschwinden noch im Kindesalter von selbst. Aber manchmal auch nicht. Mehrere Hämangiome verhalten sich vollkommen unterschiedlich - selbst, wenn sie am selben Kind sind. Ob ein Blutschwamm also verblasst, anfängt zu wuchern oder einfach so bleibt, wie er ist, kann im Vorfeld niemand sagen.
Gerade diese unvorhersehbare Entwicklung macht es Eltern schwer, sich für oder gegen eine sofortige Behandlung zu entscheiden. Dermatologin Schlossberger rät Eltern betroffener Kinder, abzuwarten. Denn nötig ist eine Therapie nur in manchen Fällen, etwa wenn der Blutschwamm besonders groß ist oder schnell wächst. Am häufigsten sind jedoch kleine Hämangiome, die sich meist komplett zurückbilden.
Haben die Eltern sich für die Therapie entschieden, gibt es mehrere Möglichkeiten. Am gängigsten ist die Laserbehandlung. „Die Energiezufuhr durch den Laser sorgt dafür, dass sich die Gefäße entzünden, verkleben und schließlich vernarben“, erklärt Prof. Weiss das Vorgehen. Durch die Vernarbung kann kein Blut mehr durch die Gefäße fließen - der Schwamm verblasst und verschwindet. Eine Kryotherapie, also das Vereisen des Hämangioms, funktioniert ähnlich.
Nur in Einzelfällen greifen Mediziner zum Skalpell. Zum Beispiel, wenn der Blutschwamm das Auge behindert oder so an der Lippe liegt, dass er das Essen erschwert. Medikamente werden noch seltener eingesetzt. Voraussetzung ist, dass der Schwamm so groß ist, dass er mit einer Operation nicht mehr entfernt werden kann oder durch eine OP eine deutlich sichtbare Narbe entstehen würde.
Warum sich manche Hämangiome von selbst zurückbilden, während andere nur durch eine Behandlung in den Griff zu bekommen sind, wisse niemand so genau, sagt Gefäßmediziner Weiss. Es liegt wahrscheinlich an den Hormonen, die das Gefäßwachstum steuern. Verschwindet ein Hämangiom von selbst, lassen die Hormone das Gefäß vernarben.
Neben den medizinischen Faktoren spielt gerade bei großen Hämangiomen auch der psychologische Aspekt eine wichtige Rolle. Sitzt der rote Schwamm etwa auf der Nasenspitze des Kindes, ist Spott schon im Kindergarten programmiert. „Das häufigste Leid von Kindern mit Blutschwämmen sind die Hänseleien“, erklärt der Psychologe Henrik Berth vom Universitätsklinikum Dresden. Deutliche Zeichen für eine psychische Belastung seien Weinen, Einnässen und Schlafstörungen. Ab einem gewissen Alter spricht das Kind auch darüber.
Doch wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Kind eines Tages wissen will, was es eigentlich auf der Haut hat? Der Psychologe rät: „Begriffe wie Tumor oder Krebs sind Kindern sehr schwierig zu erklären. Eltern können ihrem Kind sagen, du hast da eine Beule, aber die ist nicht schlimm.“ Eine psychologische Betreuung sei nicht grundsätzlich nötig. „Der Gang zum Kinderarzt ist besser. Der entfernt den Fleck und dann ist das Problem aus der Welt geschafft.“ Doch auch hier gilt: Das Hämangiom kann von selbst verschwinden, eine Behandlung ist vielleicht gar nicht erforderlich.