Hirschhausen: Tag ohne Lachen ist mentale Verstopfung
Tübingen (dpa) - Weg mit Pillen und Salben - dafür lieber lachen und fröhlich sein: Bei der Tübinger Humorwoche beraten an diesem Samstag (2. Juli) Ärzte, Forscher und Komiker darüber, wie man Humor in der Medizin einsetzen kann.
Ein fröhliches Lachen wirke schneller als jede Tablette, sagt der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen. Eines Tages werde es Clowns sogar auf Rezept geben.
„Lachen ist die beste Medizin“, sagt der Volksmund. Kann man das als seriöser Mediziner ernst nehmen?
Hirschhausen: „Man muss! Zum Glück sagt das ja nicht nur der Volksmund, sondern auch die Wissenschaft. In den letzten Jahren gibt es eine Revolution in den Gesundheitswissenschaften und der Psychologie. Endlich wird nicht nur geschaut, was die Menschen krank macht, sondern auch, was sie gesund hält und vor seelischen Belastungen schützt. Und da ist Humor einer der zentralen Schutzfaktoren.“
Kann man mit Humor denn wirklich Krankheiten heilen?
Hirschhausen: „Groucho Marx (einer der ersten amerikanischen Komiker) sagte sehr treffend: 'Ein Clown wirkt wie Aspirin, nur doppelt so schnell.' Tatsächlich verändert Lachen die Schmerzwahrnehmung. Das kann jeder eigenhändig überprüfen: Hauen Sie sich mit einem Hammer auf den eigenen Daumen. Einmal alleine und dann noch einmal in Gesellschaft. Sie spüren den Unterschied! Alleine tut es lange weh, in Gesellschaft muss ich über mein Missgeschick lachen, und der Schmerz lässt nach. Diese Wirkung ist nicht allein durch Ablenkung erklärbar, denn sie hält über mehrere Stunden nach dem Lachen noch an. Aber klar: Wenn ich einen Herzinfarkt habe, würde ich keinen Clown wollen.“
Was bewirkt denn Lachen aus medizinischer Sicht?
Hirschhausen: „Die alten Griechen dachten noch, die Seele des Menschen sitze im Zwerchfell und das Hirn sei nur ein Apparat, um das Blut zu kühlen. Wie wir heute wissen, haben sie bei vielen Leuten recht behalten... Im Ernst: Das Zwerchfell als der zentrale Lachmuskel erschüttert aus der Körpermitte alle Organe und Muskeln. Lachen ist der direkteste Anti-Stress-Mechanismus. Spannt die Muskulatur im Stress an, lassen wir beim Loslachen auch physisch locker. Nach dem Lachen sinkt der Blutdruck und das Immunsystem verbessert sich.“
Aber wirklich beweisen kann man die medizinische Wirkung des Lachens nicht?
Hirschhausen: „Nicht alles, was man zählen kann, ist wichtig. Und nicht alles Wichtige kann man zählen. Kinder lachen 400 Mal am Tag, Erwachsene 20 Mal - Tote gar nicht. Da erkennt auch der statistische Laie die Tendenz. Und wie will man die berühmten Endorphine im Körper messen? Ins Gehirn kann man beim Lachen nicht schauen, dafür wackelt es zu sehr. Und im Blut? Wenn sie gut gelaunten Menschen in den Arm stechen, um ihre gute Laune zu beweisen, sind sie nicht mehr gut gelaunt.“
Hat sich die Medizin schon mit der Frage beschäftigt, wie man Lachen möglichst effektiv einsetzen kann?
Hirschhausen: „Spannende Frage! Die experimentelle Humorforschung ist schwieriger als ein Medikament zu testen, weil jeder Mensch über etwas anderes lacht. Wer Loriot liebt, lacht nicht automatisch über Mister Bean oder Mario Barth. Meine Stiftung 'Humor hilft heilen' fördert Studien, um genauer herauszufinden, was genau wirkt. Das geht weit über Clowns hinaus. Auch die großen Volkskrankheiten wie Depression, Übergewicht und Rückenschmerzen hängen eng mit dem Thema Stimmungsregulation zusammen.“
Wie könnten Ärzte und Pflegekräfte noch besser mit Humor arbeiten?
Hirschhausen: „Das geht los bei der Anamnese und der Dokumentation. Immer wird man nach Stuhlgang gefragt. Dafür gibt es eine große Spalte, als sei das die wichtigste Funktion eines Menschen im Krankenhaus. Ich wünsche mir eine Spalte für die Stimmung: 'Wie oft haben Sie gestern gelacht?' Einen Tag nicht gelacht ist bedrohlicher als ein Tag ohne Stuhlgang - das ist mentale Verstopfung.“
Also müssen Ärzte Humor lernen?
Hirschhausen: „Es gibt inzwischen spezielle Workshops für Ärzte und Pflegekräfte, wo sie Techniken aus dem Improvisationstheater lernen, die es ihnen erlauben, in komischen oder angespannten Situationen gelassener zu reagieren. Menschliche Zuwendung, emotionales Mitschwingen und die Fähigkeit, Hoffnung zu vermitteln, sind wesentliche Elemente des Heilungsprozesses. Und die lassen sich auch nicht immer weiter kürzen.“
Die Medizin beschäftigt sich noch nicht lange mit dem Humor. Was glauben Sie: Wenn die Forschung weiter fortschreitet, was wird mit Lachen eines Tages möglich sein?
Hirschhausen: „Momentan wird die Humorforschung immer noch belächelt. Deutschland hat bislang immer noch keinen eigenen Lehrstuhl für Positive Psychologie. Ich träume davon, dass es für Humor im Krankenhaus eines Tages keine privaten Spenden mehr braucht, sondern es eine selbstverständliche Kassenleistung wird. Kein Witz!“