Organspende: Warten auf die Lebensrettung

An jeder Klinik soll ein speziell Beauftragter die Zahl der Verpflanzungen erhöhen.

<strong>Essen/Düsseldorf. Wenn die Hirnströme des Patienten erloschen sind, beginnt für die Ärzte ein Wettlauf mit der Zeit. In der Regel bleiben nur wenige Stunden, um mit den Organen eines Hirntoten andere Menschenleben zu retten - sofern der Verstorbene einen Spenderausweis besitzt oder seine Verwandten ihre Zustimmung geben. Einige Mediziner scheinen es mit der Meldung potenzieller Spender allerdings nicht allzu eilig zu haben. "Über die Hälfte der 339 nordrhein-westfälischen Krankenhäuser beteiligt sich noch immer nicht an der Gemeinschaftsaufgabe Organspende", kritisiert Ulrike Wirges von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Wenn die gelernte Anästhesistin an einige Patienten-Schicksale denkt, die sie in 20 Jahren "Fronteinsatz" in der Unfallmedizin miterlebt hat, beschleichen sie Zweifel an der derzeitigen Struktur des Organspende-Systems. "Das kann so nicht weitergehen." Im vergangenen Jahr kamen im bevölkerungsreichsten Bundesland nur zwölf Spender auf eine Million Einwohner. Nur Hessen schnitt schlechter ab.

Der Landesgesetzgeber soll aktiv werden

"Viele Häuser engagieren sich nach Kräften. Aber manche verplempern bei der Erkennung möglicher Spender unnötig Zeit, und die Abteilungen schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu." Angesichts der chronischen Knappheit verfügbarer Organe hofft die DSO nun auf politische Hilfe. Die Kernforderung: Ein Transplantationsbeauftragter müsse an jeder Klinik dafür sorgen, "dass Organspende in NRW ein Thema wird". Dies ist Teil des Krankenhaus-Gestaltungsgesetzes, das zur Novellierung von allen Fraktionen ins Landesparlament eingebracht wurde. Doch beim Reizthema Organspende bleibt die Diskrepanz zwischen hehren Absichten und deren Umsetzung groß. Umfragen zufolge würden 80 Prozent der Deutschen im Notfall auf fremde Hilfe zählen; aber nur 12 Prozent dokumentieren ihre eigene Hilfsbereitschaft per Spenderausweis. Derzeit warten rund 2800 Menschen in NRW und etwa 12 000 bundesweit auf ein lebensrettendes Organ. Um Abhilfe zu schaffen, reicht Aufklärung allein nicht aus. "Wir müssen das Bewusstsein der Ärzte schärfen. Aber der Transplantationsbeauftragte ist als Initiative einen Versuch wert", sagt Fritz Mertzlufft, Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus Bethel in Bielefeld.

Wird der Druck auf die Ärzte unangemessen erhöht?

Endstation Warteliste? Für Wolf-Dieter Kallenbach wäre das eine Horrorvorstellung. Der 52-Jährige aus Schwelm wartet seit Februar auf eine neue Leber. Er bezweifelt aber, dass sich die Vermittlungsquoten durch verbindliche Vorschriften erhöhen lassen: "Wir sollten nicht die Ärzte anprangern, die tun ja ihre Pflicht." Auch der Sprecher der Krankenhaus-Gesellschaft NRW, Lothar Kratz, hat Bedenken: "Ich frage mich, wie die zusätzlichen Posten finanziert werden sollen." Angehörige ehemaliger Organspender sehen die Erfolgschancen des gesetzlichen Modells ebenfalls skeptisch. "Das Problem ist nicht die Belastung des Personals, sondern die Definition des Hirntods", sagt Renate Greinert, die ihren Sohn Christian im Februar 1985 bei einem Unfall verlor. "Wenn jetzt überall feste Beauftragte bestimmt werden, steigt doch nur der Druck auf die Ärzte, häufiger zu melden." Die Mitbegründerin des Vereins "Kritische Aufklärung über Organspende" fürchtet, dass die Bedürfnisse der Verwandten zu Gunsten der Interessen der Organempfänger in den Hintergrund treten.

DSO-Expertin Wirges hält solche Bedenken durchaus für begründet. Natürlich könne es Pannen und Versäumnisse geben, wenn "übereifrige Intensivmediziner" am Werk seien. Gerade dies werde aber durch psychologisch geschulte Transplantationsbeauftragte verhindert.

Absicherung Um Irrtümer auszuschließen, müssen die behandelnden Mediziner innerhalb von 24 Stunden nach der Erstuntersuchung noch einmal zum gleichen Ergebnis kommen. Ärzte, die den Hirntod diagnostizieren, dürfen nicht an der Organentnahme beteiligt sein.

Zustimmung Sollen die Organe eines Verstorbenen ohne Spenderausweis zur Transplantation freigegeben werden, müssen seine engsten Verwandten einwilligen.