Vitamin D - wirksame Vorsorge vor Osteoporose?
Hamburg (dpa) - Sie tut erst einmal nicht weh und wird oft spät bemerkt: die Osteoporose, auch Knochenschwund genannt. „Bei den meisten Patienten fällt sie erst auf, wenn sie sich einen Knochen gebrochen haben“, sagt die Endokrinologin Catharina Bullmann aus Hamburg.
Vitamin D ist ein Baustein der Osteoporosetherapie. Heiß diskutiert wird derzeit, ob die Substanz auch vorsorglich eingenommen werden sollte - und wenn ja, in welcher Dosierung.
Seit einiger Zeit wird ein Vitamin-D-Mangel unter anderem auch mit Krankheiten wie Diabetes oder Herzkreislaufleiden in Verbindung gebracht. Forscher versuchen diese Zusammenhänge zu erhärten. Von heute (Mittwoch) an tagt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Hamburg - auch die Osteoporose und Vitamin D stehen auf der Tagesordnung.
Nach Angaben von Experten erfolgt nur bei jedem fünften Osteoporose-Patienten die Diagnose und Therapie rechtzeitig. Durch frühes Erkennen und vorbeugende Maßnahmen ließe sich die Zahl der Knochenbrüche infolge der Krankheit deutlich senken, sagt Prof. Michael Amling vom Institut für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Vor allem ältere Frauen haben poröse Knochen, weil es ihnen nach den Wechseljahren am Hormon Östrogen fehlt. Aber auch Bewegungsmangel, Alkohol, Untergewicht und Medikamente wie Kortison können dazu beitragen, dass der Knochen brüchig wird. Eine Osteoporose kann mit Hilfe einer Knochendichtemessung zusammen mit einer Analyse der Blutwerte erkannt werden.
Für den Knochenaufbau braucht der Körper Kalzium. Vitamin D ist dafür zuständig, dass der Stoff aus der Nahrung aufgenommen werden kann. Das hormonähnliche Vitamin D ist in fettigen Fischen wie Hering enthalten, wird aber auch vom Körper mit Hilfe von UV-B-Strahlen des Sonnenlichts produziert. Neugeborene bekommen den Stoff als Vorbeugung vor Knochenerweichung (Rachitis). In Ländern wie den USA oder Skandinavien werden Nahrungsmittel wie Milch mit Vitamin D angereichert, in Deutschland ist das nicht der Fall.
Anfang 2010 veröffentlichten britische Forscher eine Analyse aus Daten von fast 100 000 Teilnehmern. Sie ergab, dass ein hoher Vitamin-D-Spiegel mit einem halbierten Diabetesrisiko einhergeht, die Gefahr von Herzerkrankungen sank um ein Drittel. Auch das metabolische Syndrom war bei Studienteilnehmern mit hohem Vitamin-D-Spiegel nur halb so häufig. Menschen mit diesem Syndrom leiden etwa an erhöhten Fett- und Zuckerwerten im Blut, Übergewicht und hohem Blutdruck.
Die Autoren um Oscar Franco sehen Maßnahmen gegen Vitamin-D-Mangel möglicherweise als ein Mittel im Kampf gegen die Volkskrankheiten. Allerdings müsse zunächst ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem geringeren Erkrankungsrisiko belegt werden. Unklar blieb laut Endokrinologin Bullmann also, ob zu wenig Vitamin D begünstigend für diese Krankheiten war oder vielleicht eine Folge der Erkrankungen. „Es könnten aber auch ganz andere Gründe vorliegen.“
Einige Wochen vor dem DGE-Kongress meldete sich deren Pressesprecher Prof. Helmut Schatz zu Wort und riet zum bewussten Umgang mit Vitamin-D-Präparaten: Nahrungsergänzungsmittel und Vitamin-D-Zusätze zu Lebensmitteln seien aus medizinischer Sicht nur dann sinnvoll, wenn weitere Risikofaktoren für eine Osteoporose vorlägen - beispielsweise bei älteren, sturzgefährdeten Menschen oder bei nachgewiesener verminderter Knochendichte. Das amerikanische Institute of Medicine (IOM) erklärte kürzlich, dass eine Vitamin-D-Konzentration von 20 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) im Blut für den Großteil der Bevölkerung ausreiche, um einen gesunden Knochen zu haben.
Dem widerspricht Knochenexperte Amling jedoch zusammen mit Kollegen, er sieht den anzustrebenden Wert bei 30 ng/ml, und „dringend Handlungsbedarf“ bei der Versorgung mit Vitamin D in Deutschland. Das IOM habe Daten fehlinterpretiert. Darüber hinaus habe eine Studie mit 675 norddeutschen Patienten ergeben, dass 60 Prozent sogar nur eine Vitamin-D-Konzentration von unter 10 ng/ml erreichten. In Deutschland seien Vitamin-D-Mangelzustände keine Seltenheit. „Den Menschen fehlt es einfach oft an genügend Sonne, sie müssen das Vitamin D anderweitig herbekommen.“
Der Streit über Vitamin D wird wohl noch eine Weile weitergehen. Derzeit empfiehlt der Dachverband Osteologie 800 bis 2000 Internationale Einheiten (IE/20 bis 50 Mikrogramm) Vitamin D zusammen mit 1000 mg Kalzium pro Tag, wenn eine Osteoporose vorliegt. Präparate aus Reformhäusern oder Supermärkten erreichen die empfohlene Dosis in der Regel nicht. Die Experten raten, sich mit einem Arzt darüber zu beraten, zumal es in hoher Dosierung zu Nebenwirkungen kommen könnte.